Rolle der Kirche: Wie der Papst die Menschen rettete

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Kenner von Johannes Paul II. beschreibt dessen Beitrag zum Sturz des Kommunismus in Polen.


KRAKAU (b. b.). „Der Kommunismus ist als System gewissermaßen von alleine untergegangen.“ Das sagt einer, dem viele Zeitgenossen und Weggefährten nachgesagt haben, dass er durch sein Wirken entscheidend mit dazu beigetragen hat, dass das kommunistische Herrschaftssystem vor 20 Jahren kollabiert ist und sich der Ostblock in Luft aufgelöst hat: Papst Johannes Paul II.
„Alles, was in Osteuropa geschehen ist, wäre nicht möglich gewesen ohne die Gegenwart dieses Papstes, ohne die große – auch politische – Rolle, die er auf der Weltebene zu spielen verstand“, schrieb der ehemalige sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow 1992. Was trifft nun zu: systematische Selbstzerstörung des Kommunismus oder (Mit-)Anstoß durch Papst Johannes Paul II.?


Wir suchten nach einer Antwort in der Stadt, in der Karol Wojtyła viele Jahre Erzbischof gewesen war, ehe er im Oktober 1978 Papst wurde: in Krakau. „Johannes Paul II. war kein Diplomat, kein Politiker mit einer neuen Sicht auf die Welt“, sagt uns einer, der den 2005 verstorbenen Papst gut gekannt hat.

Auf den Spuren des Lehrers


Nach seinen Angaben wandelte Karol Wojtyła auf den Spuren seines Lehrers, des früheren Krakauer Erzbischofs Adam Stefan Kardinal Sapeiha, den weder Hitler noch Stalin hatte brechen können. „Von ihm hat der spätere Papst gelernt, dass die Verteidigung des Menschen stets im Vordergrund stehen muss. Der wichtigste Grundsatz war: Man muss die Menschen retten.“


Schon als Erzbischof in Krakau, als er sich etwa durch den Bau nicht genehmigter Kirchen mit den kommunistischen Behörden angelegt hat, habe der spätere Papst nicht als Politiker agiert, sondern als „Verteidiger des Menschen. Gott braucht keine Verteidiger, der Mensch schon.“


Kirchenführern sei von Anfang an klar gewesen, dass „der Kommunismus innerlich morsch ist“. Denn: „Der Kommunismus war schon als Weltanschauung falsch. Nicht darum, weil er Gott verneinte, sondern, weil er die Realität des Menschen verzerrte. Der Kommunismus sah die Menschen nicht als Menschen, sondern als Graupen.“

Nein zum Sklavendasein


Für Kirchenführer sei auch immer klar gewesen: „Wenn sich die Menschen ihrer Sklavenexistenz fügen, begehren sie nicht auf.“ Deshalb habe die Kirche konsequent gepredigt, dass der Glaube die Verneinung des Menschen nicht zulasse, der Glaube es unmöglich mache, sein Sklavendasein anzuerkennen.


Antikommunismus sei dabei niemals eine klare Strategie der Kirche gewesen. „Die Kommunisten wollten der katholischen Kirche immer eine solche Strategie andichten, aber es gab keine. Einen ,Rosenkranz für die Freiheit‘ zu beten ist doch keine antikommunistische Strategie.“


Die Sache sei einfach so: „Wenn jemand für die Freiheit des Glaubens eintrat, musste er Nein zum Kommunismus sagen. Dann trat er auch für die Menschenrechte ein, kämpfte gegen Elend und Ausbeutung, aber genauso gegen den Materialismus eines antihumanistischen Kapitalismus.“ Papst Johannes Paul II. tat das konsequent.
„Wir haben alle Möglichkeiten, wenn wir uns nicht selbst verleugnen“, predigte Johannes Paul II. bei seiner Polenreise im Juni 1979, „wir müssen nur Ja zum Menschen, zur Kultur und zu Christus dem Erlöser sagen.“

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