Ankara droht Putschisten: "Sie werden betteln: 'Tötet uns.'"

Die Armee hat elf Soldaten festgenommen, die angeblich Präsident Erdogan gefangen nehmen oder töten wollten. Premier Yildirim räumte unterdessen mögliche Fehler bei der Verhaftungswelle ein.

Auch mehr als zwei Wochen nach dem gescheiterten Militärputsch geht die türkische Regierung mit aller Härte gegen mutmaßliche Gegner von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor. Weitere 1000 Soldaten wurden entlassen. Die Armee gab zudem am Montag bekannt, dass man elf Soldaten in den Wäldern bei Marmaris gefangen habe, denen vorgeworfen wird, sie hätten Präsident Erdogan gefangen nehmen oder töten wollen.

Wirtschaftsminister Nihat Zeybeki drohte ihnen eine brutale Bestrafung an. "Wir werden sie in Löcher stecken, und in diesen Löchern werden sie eine solche Bestrafung erhalten, dass sie bis zu ihrem letzten Atemzug die Sonne nicht mehr sehen werden", wurde er von der Nachrichtenagentur Dogan zitiert. "Sie werden keine menschliche Stimme mehr hören. 'Tötet uns', werden sie betteln", sagte der Minister demzufolge weiter.

"Zweifellos Opfer eines unfairen Verfahrens"

Türkische Spitzenvertreter räumten unterdessen erstmals mögliche "Fehler" bei der Entlassungs- und Verhaftungswelle gegen mutmaßliche Unterstützer des Umsturzversuches ein. Einige der Verdächtigen seien "zweifellos" Opfer eines "unfairen Verfahrens" geworden, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim am Montag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Die Behörden würden aber "zwischen Schuldigen und Unschuldigen unterscheiden".

Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich. Sie geht seitdem mit aller Härte gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vor. Mehr als 18.000 Menschen wurden festgenommen. Unter ihnen sind neben Militärangehörigen auch Staatsbedienstete, Politiker, Wissenschaftler und Journalisten. Zehntausende Mitarbeiter der Behörden wurden entlassen.

"Werden Fehler korrigieren"

Vize-Regierungschef Numan Kurtulmus sagte am Montag, wenn beim Vorgehen gegen die mutmaßlichen Gülen-Anhänger "Fehler" gemacht worden seien, "werden wir diese korrigieren". Alle Verdächtigen, die keine Gülen-Anhänger seien, könnten sich "entspannen". Ihnen werde "nichts Böses angetan". Tatsächliche Gülen-Anhänger müssten aber sehr wohl "Angst haben", fügte Kurtulmus hinzu. "Sie werden es teuer bezahlen."

Das Vorgehen der türkischen Regierung auch gegen kritische Medien und die Justiz war international auf Kritik gestoßen. Gülen selbst bestreitet jede Verwicklung und hat den Putschversuch scharf verurteilt.

Seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei sind auch 23 Journalisten verhaftet worden. Die Zeitung "Cumhuriyet" berichtete am Montag von sechs neuen Haftbefehlen. Bereits am Freitag hatte ein Gericht 17 Anträgen auf Untersuchungshaft stattgegeben. Nach Angaben des Türkei-Experten von Reporter ohne Grenzen, Erol Önderoglu, arbeiten die meisten der Journalisten für Medien, die der Bewegung um Gülen nahestehen.

Beleidigungsklagen zurückgezogen

Präsident Erdogan ließ unterdessen Klagen gegen Vorsitzende der Opposition fallen, jedoch nicht gegen Abgeordnete der pro-kurdischen Partei HDP. Klagen gegen die HDP würden nicht zurückgezogen, sagte Erdogans Anwalt Hüseyin Aydin der Zeitung "Hürriyet".

In einem ersten Schritt habe man auf Beschwerden gegen den Chef der Mitte-Links Partei CHP, Kemal Kilicdaroglu, und den Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, verzichtet, sagte Aydin. Noch in dieser Woche werde man weitere Klagen zurücknehmen, darunter einige wegen Beleidigung des Staatspräsidenten. Erdogan hatte den Schritt am Freitag angekündigt. Die Staatsanwaltschaft können unabhängig davon entscheiden, ob sie doch noch einen Prozess beginnen wolle, sagte Aydin weiter.

In der Türkei sind nach offiziellen Angaben gut 1.800 Verfahren wegen Beleidigung des Staatspräsidenten anhängig, auch gegen Oppositionspolitiker.

Alle Oppositionsparteien, darunter auch die HDP, hatten den Putschversuch vom 15. Juli verurteilt. Bei einem anschließenden Treffen zwischen Erdogan und den Oppositionsvertretern waren die Vorsitzenden der HDP nicht eingeladen worden.

(APA/AFP/dpa/red.)

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