Neue Front im Kampf gegen IS

Das amphibische Angriffsschiff Wasp kreuzt vor der Küste Libyens. Von hier aus sollen die jüngsten US-Angriffe auf den IS in Sirte geflogen worden sein.
Das amphibische Angriffsschiff Wasp kreuzt vor der Küste Libyens. Von hier aus sollen die jüngsten US-Angriffe auf den IS in Sirte geflogen worden sein.(c) US Navy
  • Drucken

Die USA fliegen Angriffe, um Tripolis bei der Offensive gegen den IS zu helfen. Der Westen will verhindern, dass Extremisten nach Niederlagen in Syrien und im Irak nach Libyen ausweichen.

Es waren vorerst nur kleine Schläge, die die US-Navy in der libyschen Hafenstadt Sirte durchführte. Bei den Luftangriffen wurden unter anderem Kampfpanzer und Truppentransporter des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) zerstört. An der Operation nehmen bisher laut Pentagon unbemannte und bemannte Luftfahrzeuge teil: Drohnen, Harrier-Erdkampfflugzeuge und Kampfhubschrauber, die auf dem amphibischen Angriffsschiff USS „Wasp“ stationiert sind, das derzeit vor der Küste Libyens kreuzt.

Bereits im Februar flogen die USA Angriffe auf ein IS-Ausbildungscamp nahe der libyschen Stadt Sabratha. Mit den jetzigen Luftschlägen unterstützen sie aber erstmals direkt Bodenoperationen der libyschen Regierungstruppen, die die IS-Hochburg Sirte einzunehmen versuchen. Laut dem Sender „Fox News“ hat US-Präsident Barack Obama sogar eine 30tägige Militäraktion gegen den IS in Libyen angeordnet. Die USA und die Europäer weiten damit die Kampfzone im Krieg gegen die Extremisten zunehmend aus.

Libyen

Bereits im März hatte das Pentagon dem Weißen Haus eine Liste mit rund 40 IS-Zielen in vier Regionen Libyens vorgelegt – darunter Trainingslager, Kommandozentralen und Munitionsdepots. Dieser breite Angriffsplan jedoch wurde aber verworfen. Grund dafür: Man wollte Libyens neue, fragile Einheitsregierung nicht zusätzlich belasten.

Denn in Libyen ist die Militärhilfe von außen nicht unumstritten. Libyens Regierung hat nun die jüngsten US-Angriffe auf den IS angefordert. Davor hat sie aber lang gezögert. Mitte Juni sagte Libyens Vizepremier, Moussa al-Koni, in einem Interview mit der „Presse“, dass libysche Einheiten allein gegen den IS kämpfen könnten. Der Westen solle nur Aufklärungsdaten zu Verfügung stellen oder Verwundete behandeln.

Erst Ende Juli musste sich die Nationale Einheitsregierung öffentlich von einem Einsatz französischer Spezialkräfte im Land distanzieren. Zuvor war ein französischer Hubschrauber nahe der ostlibyschen Stadt Bengasi abgestürzt, drei Soldaten einer französischen Spezialtruppe starben.

Vorwürfe gegen libysche Regierung

Libyens Regierungschef Fayez al-Sarraj Fayez al-Sarraj rechtfertigte darum nun ausdrücklich in einer Fernsehansprache den jüngsten US-Luftschlag bei Sirte. Dem IS seien schwere Verluste zugefügt worden, sagte der Premier. Er versprach der Bevölkerung, dass die US-Angriffe auf Sirte und Umgebung beschränkt blieben: Es sei Zeit, „dass die internationale Gemeinschaft ihre Versprechen gegenüber dem libyschen Volk tatsächlich einlöst“, sagte Sarraj. Seine von der UNO vermittelte Ministerriege, die nach wie vor von einer Gegenregierung in Tobruk nicht anerkannt wird, sieht sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, sie sei in Wirklichkeit eine Marionette des Westens.

Das politische Chaos in Libyen mit mehreren konkurrierenden Machtzentren im Land hatte auch den Aufstieg des IS begünstigt. Vor einem halben Jahr gingen Geheimdienstexperten davon aus, dass der IS etwa über 5000 bis 6000 Bewaffnete in Libyen verfügt. Nun wird ihre Zahl nur noch auf 1000 geschätzt. Viele ehemalige Kämpfer sollen in der Bevölkerung untergetaucht sein.

Blutiges Patt an der Front in Sirte

Der verbliebene harte Kern verschanzt sich in Sirte, das seit zwei Monaten von libyschen Einheiten belagert wird. Seit mehreren Wochen herrscht an der Front eine blutige Pattstellung. Das soll nun durch die US-Luftschläge zugunsten der Regierungskräfte beendet werden. Die IS-Führung hat geplant, Libyen als alternative Basis aufzubauen, falls sie in Syrien und im Irak weiter unter Druck gerät. Die USA und Libyens Nachbarn in Europa, wie Italien, wollen das verhindern.

Syrien

In Syrien setzte die Anti-IS-Allianz die Jihadistenorganisation zuletzt immer mehr unter Druck. Im Norden des Landes versuchen kurdische Einheiten zusammen mit verbündeten arabischen Gruppen den IS weiter aus dem Grenzgebiet zur Türkei zurückzudrängen. Damit sollen die Jihadisten in ihrer „Hauptstadt“, Raqqa, endgültig vom Nachschub abgeschnitten werden. Teil dieser Offensive ist die Schlacht um die westlich des Euphrats gelegene Stadt Manbij. Die kurdischen und arabischen Kräfte erhalten bei ihren Operationen Luftunterstützung der USA, aber auch Frankreichs und Großbritanniens.

Zuletzt gab es Versuche Washingtons und Moskaus, ihre Luftschläge gegen den IS und gegen die frühere al-Nusra-Front zu koordinieren. Al-Nusra hat sich erst vor Kurzem – zumindest offiziell – vom Terrornetzwerk al-Qaida losgesagt, um drohenden Bombardements zu entgehen (siehe Artikel auf den Seiten 2, 3). Eine Allianz mit Russland in Syrien ist für die USA aber nicht unproblematisch. Denn die russische Luftwaffe fliegt zugleich auch massive Attacken auf Gebiete, die von – aus Sicht der USA – moderateren Rebellengruppen gehalten werden.

Irak

Kurdische Peschmerga-Einheiten und die irakische Armee konnten dem IS mit US-Luftunterstützung zuletzt massive Niederlagen zufügen. Im Juni wurde etwa die IS-Hochburg Falluja zurückerobert, die gleichsam vor den Toren der Hauptstadt, Bagdad, liegt. Nun laufen die Vorbereitungen für die Schlacht um die nordirakische Millionenstadt Mossul. Sie ist das wichtigste Bevölkerungszentrum und die militärische Hauptstadt des IS-Gebiets. Wenn der IS Mossul verliert, wäre das der Anfang vom Ende seines eigenmächtig ausgerufenen „Kalifats“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Helfer berichten über Einsatz von Giftgas in Syrien

Über dem Rebellengebiet sollen Fässer mit Chlorgas abgeworfen worden sein: laut Spekulationen ein möglicher Racheakt.
Themenbild: US Air Force
Außenpolitik

USA greifen IS-Terrormiliz in Libyen an

Die Luftangriffe erfolgten laut Washington auf Bitte der libyschen Einheitsregierung.
Kampf gegen den IS bei Sirte
Außenpolitik

Italien will US-Einsatz in Libyen unterstützen

Die Regierung in Rom wird den USA notfalls Basen in Italien für die Operationen gegen den IS in der libyschen Stadt Sirte zur Verfügung stellen. Doch die Opposition warnt davor, dass Italien zum Terrorziel werden könnte.
Fighters of Libyan forces allied with the U.N.-backed move from a beach after they fire shells with Soviet made T-55 tank at Islamic State fighters in Sirte
Außenpolitik

Libyen: Stetiger Vormarsch auf Sirte

Der IS wehrt sich mit Bomben und Attentaten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.