Die Tigermücke im olympischen Winterschlaf

Täglich versprüht ein Fahrzeug im olympischen Dorf Zika-Bekämpfungsmittel. Die ÖOC-Delegation berichtet, die Moskitos seien kein Problem.
Täglich versprüht ein Fahrzeug im olympischen Dorf Zika-Bekämpfungsmittel. Die ÖOC-Delegation berichtet, die Moskitos seien kein Problem.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Die Infektionen gehen zurück, die WHO gibt Entwarnung. Bei einigen Sportlern hat das Virus aber Eindruck hinterlassen. Wie groß ist das Risiko?

Rio de Janeiro/Wien. Drei Wochen sei sie nun da, erzählte Österreichs Kanumedaillenhoffnung Corinna Kuhnle, Moskito habe sie noch keinen gesehen. In Brasilien herrscht Winter, in der Olympiastadt Rio regnet es weniger, es ist kühler, derzeit hat es zwischen 20 und 25 Grad Celsius. Nicht die besten Voraussetzungen für Aedes aegypti, die ägyptische Tigermücke, die das Zikavirus verbreitet. Sie hat sich rar gemacht. Das Übertragungsrisiko gilt deshalb als äußerst gering, die Zahlen über mückenübertragene Infektionen sind gesunken. Das Nachbarland Kolumbien hat die Zika-Epidemie bereits für überwunden erklärt und rät auch nicht mehr, Schwangerschaften aufzuschieben.

Denn während 60 bis 80 Prozent der Infizierten ohnehin keine Symptome zeigen – selbst eine Erkrankung äußert sich meist nur als leichtes Fieber –, kann Zika bei ungeborenen Kindern Mikrozephalie auslösen, wenn sich die Schwangere infiziert. Die Kinder kommen mit zu kleinem Kopfumfang (32 Zentimetern oder weniger) auf die Welt, eine geistige Behinderung ist die Folge. 1749 Fälle von Mikrozephalie („kleiner Kopf“) sind seit dem Zika-Ausbruch Anfang 2015 in Brasilien überliefert, weitere 18 in den USA. In Europa sind zwei Fälle in Spanien sowie einer in Slowenien bekannt, die Schwangeren haben sich in Südamerika infiziert. Einen Schnelltest gibt es mittlerweile, einen Impfstoff gegen das Virus, das vor etwa 70 Jahren im Zikawald in Uganda entdeckt wurde und sich über die Pazifikinseln nach Südamerika ausgebreitet hat, aber noch nicht. Noch heuer sollen erste Tierversuche mit einem von amerikanischen und brasilianischen Wissenschaftlern entwickelten Impfstoff stattfinden.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt also Schwangeren und Frauen mit Kinderwunsch, den Olympischen Spielen fernzubleiben. Alle anderen sollten Insektenschutzmittel verwenden, unter Moskitonetzen schlafen und Kondome benutzen, auch noch acht Wochen nach der Rückkehr. Ende 2015 wurde in Texas die erste Zikaübertragung durch sexuellen Kontakt festgestellt. In Rio stehen für Athleten, Trainer und Offizielle daher 450.000 Gratiskondome bereit, im Schnitt sind das 42 pro Bewohner im Olympiadorf. „Feiern mit Kondom“, prangt auf den farbenfrohen Automaten. Die Sportstätten werden außerdem mit Besprühungsaktionen mückenfrei gemacht.

Viel Lärm um nichts also? Wurden mit Zika gar ungerechtfertigte Ängste geschnürt? Immerhin gab es im Vorfeld einen Aufruf von 150 Experten, die Spiele wegen einer drohenden globalen Epidemie zu verschieben. Die WHO gab aber umgehend Entwarnung: Seit Februar seien die Zikafälle (Brasiliens Gesundheitsministerium schätzt die Zahl der Infektionen seit 2015 auf 1,5 Millionen) zurückgegangen. Noch nicht restlos geklärt ist allerdings der Zusammenhang von Zika und dem Guillain-Barré-Syndrom, einer Lähmungskrankheit, an der infizierte Erwachsene in seltenen Fällen leiden. Zumindest ist die Häufigkeit in Südamerika angestiegen. Das Syndrom kann aber auch die Folge anderer Viruserkrankungen sein.

Zika als fadenscheinige Ausrede

Die österreichische Rio-Delegation hat alle empfohlenen Schutzvorkehrungen getroffen. „Wir sind ausgestattet bis über beide Ohren“, meinte Schwimmer David Brandl. Einen Olympia-Startverzicht wegen Zika hat kein Österreicher in Betracht gezogen. Andere Athleten hingegen schon. Die aktuell vier besten Golfer der Welt haben aus Sorge um ihre Gesundheit abgesagt. Kritiker meinen, für die Golfelite sei Zika ein vorgeschobener Grund, weil es kein Preisgeld gebe. Auch Milos Raonic und Tomas Berdych, Medaillenanwärter im Tennis, verzichten auf Rio. Dabei legt Zika offenbar rechtzeitig zu den Spielen eine Pause ein. Zumindest bis Oktober, dann beginnt die Moskitosaison. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2016)

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