Wiener Ärzte: Kein Geld für Überstunden

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Wiener Spitalsärzte werden aus Kostengründen angewiesen, nur noch 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. Anfallende Überstunden sollen zudem nicht mehr ausgezahlt, sondern mit Zeitausgleich abgegolten werden.

Wien. Ärzte in Wiener Gemeindespitälern sollen ab Oktober aus Kostengründen keine Überstunden mehr machen. Selbst jene acht Stunden außerhalb der Normalarbeitszeit, die eigentlich einkalkuliert waren, sollen vermieden und eine strikte 40-Stunden-Woche soll etabliert werden. Zudem will der Krankenanstaltenverbund (KAV) mehreren übereinstimmenden „Presse“-Informationen zufolge ungeplante Überstunden – angeordnet werden bei der Dienstplanerstellung gar keine mehr – nicht auszahlen, sondern in Freizeit (Zeitausgleich) abgelten.

Denn seit dem 2015 in Kraft getretenen neuen Arbeitszeitgesetz mit einer auf durchschnittlich 48 Stunden pro Woche beschränkten Arbeitszeit (statt wie bis dahin 60 Stunden) tragen die Mediziner ihre Überstunden exakt ein. Dadurch werden diese viel teurer als früher – als sie pauschaliert durch die Nachtdienstzulage abgegolten wurden. Um rund 30 Prozent sollen die Personalkosten der Abteilungen dadurch gestiegen sein, während gleichzeitig die Präsenz der Ärzte um bis zu ein Drittel gesunken ist.

Im Schnitt machen Ärzte zwischen 30 und 50 Überstunden pro Monat. Unter der Woche und tagsüber geleistete Überstunden werden im Verhältnis 1:1,5 ausbezahlt. Jene, die zwischen 22 und sechs Uhr bzw. an Sonn- und Feiertagen anfallen, im Verhältnis 1:2. Ausfallende Überstunden stellen für die Ärzte also drastische Gehaltseinbußen dar. Bereits im April wurden die Spitalsärzte seitens des KAV angehalten, auf Überstunden nach Möglichkeit zu verzichten. Einige Monate zuvor gab es dieselbe Aufforderung auch in den Wiener Pflegewohnheimen.

„Befinden uns in Übergangsphase“

Dass Überstunden künftig nicht ausgezahlt werden, will der KAV nicht bestätigen. Auf Anfrage teilte ein Sprecher schriftlich mit, „dass wir uns am Ende einer Übergangsphase befinden, in der das alte und das neue Arbeitszeitmodell überlappend nebeneinander existieren“. Dadurch sei es in den vergangenen Monaten zu einem Anstieg der Überstunden gekommen. „Ist das neue Arbeitszeitmodell abschließend umgesetzt, wird die Anzahl der Überstunden zurückgehen. Werden Überstunden im laufenden Betrieb notwendig, daher nach Anordnung durch den Vorgesetzten geleistet, werden diese wie bisher abgegolten: monetär bzw. in Zeitausgleich.“

Nun droht Streik

„All unsere Befürchtungen bestätigt“ sieht hingegen die Wiener Ärztekammer. Würden die Dienstpläne auf 40 Wochenstunden reduziert, bedeute das eine Reduktion der Arbeitszeit um ein Drittel. Auch die Streichung von 40 Nachtdiensträdern („Die Presse“ berichtete Anfang Juli) bedeute umgelegt auf das gesamte Jahr, dass 14.600 Mal im Jahr am Nachmittag und in der Nacht in den KAV-Spitälern in den betroffenen Abteilungen statt zweier Ärzte nur noch einer oder statt dreier Ärzte nur noch zwei Dienst haben.

„Massive Leistungsreduktionen drohen somit nicht nur, sie werden heraufbeschworen. Wartezeiten werden länger, Operationen weniger, Ambulanzen heruntergefahren. Gleichzeitig wird die Arbeitsbelastung für den einzelnen Arzt im Dienst immer mehr“, sagt Kammerpräsident Thomas Szekeres. „Dass Überstunden nicht einmal mehr ausbezahlt werden sollen, ist ein weiterer trauriger Beweis dafür, dass nur aus Kostengründen gespart wird, und zeigt, wie schlecht es um die Finanzierung im KAV steht.“
Ohne begleitende Maßnahmen zu ergreifen, würden Übereinkommen vom KAV einseitig gebrochen. „Uns droht ein konstanter Notbetrieb in den KAV-Spitälern, das werden wir sicher nicht zulassen. Deshalb werden wir weitere Maßnahmen setzen. Welche, das wird auch die Streikabstimmung der Spitalsärzte zeigen, die bis 21. August läuft.“

Vom „Ende der Kontinuität und Qualität“ in den Spitälern spricht auch Anna Kreil, stellvertretende Obfrau der Ärztegewerkschaft Asklepios. „Unter diesen Arbeitsbedingungen ist weder eine adäquate Patientenversorgung noch eine seriöse Ausbildung junger Ärzte möglich. Die Verantwortung dafür sollte die Politik übernehmen und sie nicht auf die Ärzte abwälzen.“

Auf einen Blick

Überstunden. Durch das neue Arbeitszeitgesetz dürfen Spitalsärzte im Schnitt statt 60 nur noch 48 Stunden pro Woche arbeiten – wobei acht Stunden als Überstunden einkalkuliert sind. Auf diese sollen die Ärzte künftig verzichten. Fallen doch welche an, soll es statt Geld Zeitausgleich geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12. August 2016)

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