Populistische und EU-skeptische Parteien werden europaweit zu einem relevanten politischen Faktor. In den Gründerstaaten sind sie bereits die größte Gruppe.
Brüssel/Wien. Angetrieben von Ängsten durch die Flüchtlingswelle und emotionalen Vorbehalten gegenüber der EU werden populistisch ausgerichtete Gruppen – die meisten von ihnen vom rechten Rand – zu einer relevanten politischen Größe in der europäischen Parteienlandschaft. Der aktuelle Höhenflug der Alternative für Deutschland (AfD) mit ihrem Wahlerfolg in Mecklenburg-Vorpommern (21 %) liegt ganz im EU-Trend.
Europeanmeter analysiert regelmäßig die Unterstützung der unterschiedlichen europäischen Parteienfamilien in den Mitgliedstaaten. Laut einer jüngsten Auswertung vom August, die auf der Internetplattform EurActiv.de veröffentlicht wurde, kommen EU-feindliche populistische Parteien mittlerweile auf einen durchschnittlichen Anteil von 27 Prozent der Wählerschaft in den sechs Gründerstaaten der EU (D, F, I, Benelux). Größten Anteil daran hat der Front National in Frankreich mit einer Anhängerschaft von 29 Prozent. Stark ist auch die Partei für die Freiheit in den Niederlanden mit 22 Prozent. In Italien kommt die Fünf-Sterne-Bewegung unter Beppe Grillo, die sich im Gegensatz zur AfD oder dem Front National nicht als rechts definiert, auf 29 Prozent. Dazu kommt in Italien die rechte Lega Nord, die ebenfalls EU-kritisch ausgerichtet ist und laut aktuellen Umfragen auf elf Prozent Wählerpotenzial kommt. Im Vergleich hinken Christdemokraten und Sozialdemokraten, obwohl sie selbst nun zu populistischen Mitteln greifen, diesen Kräften hinterher. Die Europäische Volkspartei (EVP) hat im EU-Durchschnitt nur noch eine Zustimmung von 25 Prozent, die Sozialdemokraten (S&D) kommen auf 24 Prozent. In den Gründerstaaten kommen die Christdemokraten auf durchschnittlich 26 Prozent, die Sozialdemokraten gar nur noch auf 22 Prozent.
Kaum anders ist der Trend in den jüngeren EU-Mitgliedstaaten. In Polen regiert die nationalistisch orientierte Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Sie gilt als proamerikanisch, teilweise EU-skeptisch und ausländerfeindlich. Sie kam bei den Parlamentswahlen 2015 auf 37,6 Prozent. Mittlerweile dürfte die Zustimmung auf 33 Prozent gesunken sein. In Dänemark kam die ausländerfeindliche EU-kritische Danks Folkeparti (DF) bei den Wahlen im vergangenen Jahr auf 21 Prozent. Sie profitierte ebenso von der Flüchtlingskrise wie die Schwedendemokraten, die mit einer ähnlichen Ausrichtung zur drittstärksten Kraft im Land aufstiegen.
Die Ausnahme von diesem Trend ist ausgerechnet Griechenland, das von der Flüchtlingskrise hauptbetroffen ist. Dort konnte die rechtsradikale Partei Morgenröte von den jüngsten Entwicklungen nicht profitieren. Sie kommt trotz anhaltender Krisensituation auf lediglich acht Prozent Zustimmung. Hier ist derzeit wieder die Nea Dimokratia (ND) mit 28,5 Prozent die stärkste Kraft.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2016)