Sie steht unter keinem guten Stern: die Bundespräsidentenwahl. Jetzt muss sie wohl verschoben werden. Bei den Kandidaten gibt es derweil – fast – business as usual.
Am 8. Juli – die Älteren werden sich erinnern – hätte der neue Bundespräsident angelobt werden sollen. Nun schreiben wir den 11. September und noch immer ist keine Angelobung in Aussicht, ja es ist sogar ungewiss, ob es heuer überhaupt eine solche geben wird. Im Internet zirkulieren schon T-Shirt-Entwürfe mit dem Aufdruck „Ich war dabei! Bundespräsidentenwahl 2016–2019“.
Am Montag hat Innenminister Wolfgang Sobotka jedenfalls zu einer Pressekonferenz geladen. Und wenn sich über das Wochenende nicht doch noch irgendein juristischer Dreh findet, eine Wiederwiederholung abzuwenden, dann wird Sobotka genau diese verkünden.
Davon geht auch der Regierungskoordinator des Koalitionspartners SPÖ, Thomas Drozda, aus. Immerhin: Er rechnet noch mit einem Wahltermin in diesem Jahr. Und der Kanzleramtsminister nimmt den Innenminister explizit in Schutz: Die Verantwortung für das Desaster liege eindeutig bei jenem Unternehmen, das die fehlerhaften Briefwahlkarten geliefert habe, so Drozda.
Karl Korinek, der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs, sieht das ein wenig anders: „Das ist nun einmal mehr das Ergebnis des Umstands, dass der Staat im Zuge der ganzen Privatisiererei Staatsfunktionen aus der Hand gegeben hat“, meint er im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.
Adamovich skeptisch
Sein Vorgänger, Ludwig Adamovich, der spätere Präsidentenberater, sieht kaum juristische Möglichkeiten, eine Verschiebung noch zu verhindern und die Wahl zum regulären Zeitpunkt abzuhalten, sodass diese auch vor dem Verfassungsgericht hält. Die Rechtslage sei überhaupt „mehr als dürftig“. Im Bundespräsidentengesetz sei keine Verschiebung vorgesehen, die Nationalratswahlordnung bringe hier auch nicht viel. Man werde also wohl ein eigenes Gesetz dafür brauchen.
Und dieses könnte schon am Dienstag im Parlament eingebracht werden, die Vorbereitungen laufen jedenfalls. Derzeit wird auch überlegt, dieses Gesetz eventuell so zu formulieren, dass auch jene 16-Jährigen, die derzeit noch von der Wahl ausgeschlossen sind, wählen können. Diskutiert wird auch, ob es zusätzliche Wahltage geben soll.
Van der Bellen ironisch
Und was machen die beiden – eigentlichen – Hauptdarsteller derzeit? Alexander Van der Bellen hat seinen Wahlauftakt am Freitag abgesagt. Gestern gab er dann eine Pressekonferenz. „Wir haben ein Problem in Österreich, und was ist die Ursache des Problems: ein Klebstoff“, analysierte er mit ironischem Unterton. „Ich gebe zu, ich war im ersten Moment auch genervt.“ Aber man müsse die Kirche im Dorf lassen: „Das werden wir ja wohl noch lösen können, dieses Problem.“ Van der Bellen geht jedenfalls von einer Wahlverschiebung aus. Und fügte noch launig hinzu: „Es hat etwas Charmantes, den amerikanischen Wahlkampf zumindest in der Länge zu schlagen.“

Hofer angriffig
Sein Kontrahent, Norbert Hofer, hingegen hielt seinen Wahlkampfauftakt gestern wie geplant ab: „Wir wollen unser Österreich zurück“, forderte er im Festzelt im oberösterreichischen Wels. Ein Beispiel für die Missstände im Land sei eben auch eine nicht funktionierende Verwaltung, spielte er auf die Wahlkartengeschichte an. Und kritisierte, dass es bei der Bundespräsidentenwahl anscheinend nicht möglich sei, das zu tun, was bei der Bezirksvertretungswahl in Wien Leopoldstadt sehr wohl möglich sei: die beschädigten Briefwahlkarten auszutauschen. „Warum geht man diesen Weg nicht? Warum hat man Interesse an einem späteren Wahltermin?“
Seine Rede wurde immer wieder von „Hofer! Hofer!“-Sprechchören unterbrochen. Ein zentrales Thema: die Flüchtlingspolitik. Dargebracht im bewährten Hofer-Mix aus sanft und hart: „Bei der Zuwanderung muss es eine Mischung sein aus Menschlichkeit und Vernunft.“ Und dann: „Wir können nicht zulassen, dass die große Mehrheit der Menschen Wirtschaftsflüchtlinge sind – ja nicht einmal das, weil die große Mehrheit wandert ins Sozialsystem ein. Wenn wir das zulassen, hat das nichts mit Menschlichkeit zu tun, sondern mit Dummheit.“
Norbert Hofer präsentierte sich – ganz im Einklang mit der Kampagne – als Stimme der Vernunft. „Wenn ich die Wahl gewinne, wird dieser Kurs der Vernunft fortgesetzt.“ Sofern die Wahl überhaupt einmal stattfindet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11. September 2016)