Leopoldstadt: Eskalation im Wahlkampf-Finale

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BEZIRKSVERTRETUNGSWAHLEN FP�: GUDENUS/SEIDL/DOMINIK(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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In der letzten Phase entgleist der Wahlkampf für die Wahlwiederholung in der Leopoldstadt. Und: Wie Wien auf die Wahlkartenprobleme reagiert hat.

Wien. Bisher drehten sich die Themen der Wahlwiederholung in der Leopoldstadt, die ein wichtiger erster Stimmungstest für alle Parteien nach der Wien-Wahl 2015 ist, ausschließlich um das Thema von klebenden und nicht klebenden Briefwahlkarten. In den letzten Stunden vor der Wahlwiederholung am Sonntag verschärfte sich die Auseinandersetzung plötzlich massiv.

Auslöser war ein Inserat der FPÖ, das am Freitag in einer Zeitung erschien: „Wer SPÖ wählt, wählt Wehsely – die Totengräberin unseres Gesundheitssystems. Darum am Sonntag: FPÖ.“ Damit starteten die Freiheitlichen im letzten Moment des Wahlkampfs einen Frontalangriff auf die SPÖ. Konkret auf die wegen des Ärztestreiks unter massivem Druck geratene Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, die im zweiten Bezirk politisch verankert ist und sich deutlich sichtbar in den SPÖ-Wahlkampf im Bezirk eingeschaltet hat.

„Kakofonie“ und „Blender“

Das FPÖ-Inserat ließ den bislang gemütlich vor sich hin plätschernden Wahlkampf eskalieren. „Im Finale des Wahlkampfs verdichtet sich das übliche populistische FPÖ-Gekreische zur Kakofonie“, so die heftige Reaktion von SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch, der den (im Bezirk) großflächig plakatierten FPÖ-Spitzenkandidaten, Wolfgang Seidl, als „Blender“ bezeichnete – nachdem dieser im Gemeinderat bleiben wird, selbst wenn die FPÖ Platz zwei und damit den Posten des Vizebezirkschef erobern wird. SPÖ-Parteimanagerin Sybille Straubinger setzte nach und sprach von „Gehässigkeiten“ und einem „verbalen und inhaltlichen“ Tiefpunkt – worauf die FPÖ postwendend Wehsely als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnete und ihren Rücktritt forderte.

Gleichzeitig gerieten SPÖ und Grüne ebenfalls aneinander. Bezirksvorsteher Karlheinz Hora schoss sich auf „völlig undurchdachte“ Verkehrsberuhigungsprojekte der Grünen ein, „mit denen der Durchzugsverkehr direkt in die ruhigen Wohngebiete geleitet wird. Nachsatz: „Das betrifft auch den (von vielen Grün-Sympathisanten bewohnten, Anm.) Karmelitermarkt.“

Der SPÖ-Bezirkschef zur „Presse“: Bei der Praterstraße würden die Grünen die Fahrstreifen halbieren wollen, bei der Taborstraße werde sogar überlegt, eine Fußgängerzone einzurichten. Bei Letzterem spielte Hora auf eine Forderung der grünen Vizeklubchefin Sabine Oberneder an, die das auf der Homepage der Leopoldstädter Grünen gefordert hatte: „Dann ist der Durchzugsverkehr direkt in den Wohngegenden“, so Hora, der den Grünen indirekt Unehrlichkeit unterstellte: „Als die Wahlwiederholung Formen angenommen hat, sind diese Forderungen plötzlich von der grünen Homepage verschwunden. Aber sie gibt es natürlich weiterhin.“ Die Grünen kontern: „Das steht momentan nicht zur Diskussion.“ Hier zähle nur, was Spitzenkandidatin Lichtenegger sage, heißt es bei den Grünen – die sich im Gegenzug voll auf Hora einschießen. Und ihm „ein derartiges Kuscheln mit der FPÖ“ vorwerfen, dass „man nicht mehr unterscheiden kann, wer jetzt wer ist“.

Warum es noch defekte Wahlkarten gab

Unabhängig von der politischen Eskalation in der Leopoldstadt ging die Diskussion um schadhafte Wahlkarten weiter. Beispielsweise wurde (auch auf Twitter) immer wieder die Frage aufgeworfen, wieso schadhafte Wahlkarten auch Tage nach den ersten Hinweisen auf Probleme ausgeliefert wurden; wie einige Wiener berichten. Und auch die Frage gestellt, wieso die Produktion nach dem Auftauchen der ersten Probleme nicht gestoppt wurde. Dazu erklärt Christiane Bachofner, Chefin der zuständigen MA 62: Am 29. August sei die erste Tranche an Wahlkarten (1500 Stück) zur Post gekommen: „Sie waren bei der Abgabe in Ordnung.“ Zwei Tage später hätte es erste Rückmeldungen bezüglich Problemen gegeben. Daraufhin seien am selben Tag zwei Sofortmaßnahmen eingeleitet worden: Alle noch unversandten Wahlkarten seien in die Druckerei geschickt worden, um die Klebestellen nochmals zu bearbeiten und das Problem zu lösen. Um für alle Eventualitäten vorzusorgen, seien parallel dazu neue Wahlkarten bei der Druckerei bestellt worden, die nachweislich nicht unter diesem Problem leiden: Diese seien (wegen der Produktionszeit der Druckerei) allerdings erst ab 7. September verfügbar gewesen, so Bachofner.

Während es bei der zweiten, neuen Tranche keine Probleme gab, hat die Nachbearbeitung „leider nicht bei jeder Wahlkarte so gewirkt wie gewollt – auch wenn es bei einem Großteil funktioniert hat“, so Bachofner. Aus diesem Grund sei es möglich gewesen, dass es auch bei den nachbearbeiteten Wahlkarten Probleme gegeben hätte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)

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