Deutsche Bank: So fing es auch bei Lehman an

Workers sweep leaves outside Deutsche Bank offices in London
Workers sweep leaves outside Deutsche Bank offices in London(c) REUTERS (Luke MacGregor)
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Da Hedgefonds ihr Geld abziehen, fällt der Kurs erstmals unter zehn Euro. Das weckt Erinnerungen an 2008. Aber die Liquiditätsreserven der „Deutschen“ sind weit höher.

Wien.Der Freitagmorgen begann an der Frankfurter Börse mit einem Schock: Die schon zu Beginn der Woche arg geprügelte Aktie der Deutschen Bank brach neuerlich um fast neun Prozent ein und geriet unter die psychologisch wichtige Marke von zehn Euro. Der Grund: Ein Teil jener 200 US-Hedgefonds, die ihre Derivatgeschäfte über die Deutsche Bank abwickeln, hatten ihre Geldbestände abgezogen. Auch wenn die Dämme an der Börse vorerst nicht brachen und der Kurs im Tagesverlauf sogar ins Plus drehte, sind die düsteren Schatten der Erinnerung damit losgelassen: Vor acht Jahren fing es bei Lehman Brothers genauso an – in Panik geratene Hedgefonds-Manager brachten ihr Geld in Sicherheit.

Doch ein genauerer Vergleich zeigt, dass Deutschlands größtes Geldhaus weniger leicht zu erschüttern ist. Die reine Investmentbank Lehman war verwundbarer, weil sie sich extrem kurzfristig durch Übernachtgeschäfte (Repos) finanzierte. Ihr Liquiditätspolster betrug 45 Mrd. Dollar. Jener der Deutschen Bank war zwar damals nur wenig höher. Bis heute hat er sich aber auf komfortable 215 Mrd. Euro vervierfacht. Um diesen Puffer aufzubrauchen, müssten auch Vermögensverwalter und große Unternehmenskunden der Bank den Rücken kehren. Dann hat das Institut immer noch vollen Zugang zu den Finanzierungsmöglichkeiten, die Europas Zentralbank (EZB) seit der Krise aufgestellt hat. Dennoch musste Bankchef John Cryan am Freitag auch die eigenen Mitarbeiter beruhigen. In einem Brief an die rund 100.000 Beschäftigten klagte der Brite über „heftige Spekulationen“ als Folge „immer neuer Gerüchte“, über eine „verzerrte Außenwahrnehmung“ und „einige Marktkräfte“, die „das Vertrauen in uns schwächen wollen“.

Der erste Auslöser des Kursverfalls war freilich kein Gerücht, sondern ein Faktum: Das US-Justizministerium fordert von der „Deutschen“, wie sie im angelsächsischen Finanzjargon heißt, 14 Mrd. Dollar als Strafe für dubiose Geschäfte mit verbrieften Hypothekenpapieren vor der Finanzkrise. Letzten Meldungen zufolge sollen es nur noch 5,4 Milliarden sein. Wie auch immer – juristische Härte gegenüber ausländischen Unternehmen, die US-Bürger um ihre Ersparnisse brachten, würde sich im Wahlkampf gut machen. Dennoch kann Noch-Präsident Obama kein Interesse daran haben, die nach ihrer Systemrelevanz viertwichtigste Bank der Welt in den Ruin zu treiben und so zu Ende seiner Amtszeit eine neue Finanzkrise auszulösen. Selbst wenn diese auf Europa beschränkt bliebe, würde er damit für massive diplomatische Verstimmung bei den Partnern jenseits des Atlantiks sorgen.

US-Justizministerin Loretta Lynch scheint für dieses Dilemma nun eine elegante Lösung gefunden zu haben: Laut „Financial Times“ plant ihre Behörde, drei europäische Banken gebündelt abzustrafen. Zusammen mit der Deutschen Bank sollen auch die britische Barclays und die Schweizer Credit Suisse noch vor dem Wahltermin am 8.November einem Vergleich zustimmen. Doppelt vorteilhaft: Die Summe wäre jedenfalls eindrucksvoll, das geschwächte deutsche Institut könnte dezent geschont werden. Übrigens: Ein allfälliger Eindruck, die US-Regierung halte sich nur an fremden Firmen schadlos, trügt. Die fünf größten US-Banken mussten ihre alten Sünden bereits früher mit in Summe 45 Mrd. Dollar abbüßen.

Ein Menetekel für Merkel

Vor einem Dilemma steht auch Kanzlerin Merkel in Berlin. In einem Jahr wählt auch Deutschland. Im schlimmsten Fall muss die Deutsche Bank bald ihr Kapital erhöhen und schafft es nicht, die Mittel einzusammeln. Dann könnte immer noch der Staat sich beteiligen oder „vorsorglich rekapitalisieren“ (was auch die neuen Regeln der EU-Bankenunion für ein im Kern gesundes Institut erlauben).

Bei den Bürgern käme an: Sie müssen mit ihren Steuermilliarden für die krummen Geschäfte von Bankern auf dem US-Häusermarkt geradestehen. Ein solcher Eindruck wäre gerade im Wahlkampf fatal. Weshalb sich die Regierung einen Maulkorb auferlegt hat: Die Politiker blocken jede Frage zur Lage der Deutschen Bank und einer möglichen Kapitalhilfe rigoros ab. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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