Experte: "Auch Einzahlungen auf Sparbücher besteuern"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Der Steuerberater Bernhard Gröhs hält die Transaktionssteuer für eine tolle Sache. Vor allem für stark verschuldete Staaten.

„Die Presse“: In Europa werden die Rufe nach einer Transaktionssteuer angesichts leerer Staatskassen immer lauter. Was halten Sie denn von der Einführung der sogenannten Tobin-Tax?

Bernhard Gröhs: Wenn wir einmal davon absehen, dass es sich nicht um die Tobin-Tax im eigentlichen Sinne handelt, halte ich die Einführung einer derartigen Steuer für absolut diskussionswürdig.

Womit Sie vermutlich der erste Steuerberater sind, der für die Einführung neuer Steuern eintritt. Warum eigentlich?

Gröhs: Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich dafür. Man muss das Thema emotionslos und geradezu brutal pragmatisch sehen. Und die Einführung einer derartigen Steuer folgte einer Logik.

Erzählen Sie uns mehr.

Gröhs: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Staaten dieser Tage verschulden müssen. Und dass die Budgets durch traditionelle Steuerreformen nicht mehr sanierbar sind. Nun ist klar: Der Staat muss bei den Ausgaben sparen, hier könnte man in Österreich sehr viel tun. Nur scheitert es hier wie auch in anderen Ländern an der politischen Realität.

Es geht also nicht mehr um die Eindämmung der Devisenströme, wie Tobin das wollte. Sondern um die Sanierung der Haushalte.

Gröhs: Die Sanierung ist das primäre Motiv. Aber eine solche Steuer wäre wirklich revolutionär, weil sie einen internationalen Schulterschluss zumindest in einem Wirtschaftsraum bedeutet.

Was sollte denn besteuert werden?

Gröhs: Ich vertrete da einen etwas radikalen Standpunkt, der die Besteuerung sämtlicher Finanztransaktionen, die es im automatisierten System gibt, propagiert.


Sie wollen auch die Einzahlung auf ein Sparbuch besteuern?

Gröhs: Angefangen vom Muatterl, das hundert Euro aufs Sparbuch einzahlt, bis hin zum Hedgefonds, den man kauft.

Und wie hoch wäre der Steuersatz?

Gröhs: Es wäre Wahnsinn, mit etwas anderem als 0,01 Prozent pro Transaktion zu beginnen. Aber global wären diese 0,01 Prozent ein derartiges Volumen, dass es sich auszahlt.

Berechnungen zufolge brächte eine Steuer in dieser Größenordnung im ganzen europäischen Wirtschaftsraum knapp 40 Mrd. Dollar pro Jahr. Das ist ist nicht einmal die halbe Neuverschuldung des kleinen Österreich bis 2013.

Gröhs: Deshalb müssen die Staaten sparen. Aber selbst wenn man in Österreich mit vollem Willen spart, bringt man nicht mehr zustande. Der Zinsendienst ist bald höher als das Bildungsbudget mit allen Lehrern und Universitäten.


Was macht eine neue Steuer besser als die Erhöhung der bestehenden?

Gröhs: Die Massensteuern (wie die Mehrwertsteuer, Anm.) haben einen Lenkungseffekt auf die Realwirtschaft. Und genau hier beginnt die Finanztransaktionssteuer genial zu werden: Sie trifft die Realwirtschaft nicht. Gehen wir davon aus, dass das Volumen der Finanztransaktionen das Hundertfache des BIP ausmacht. Mehr als die Hälfte davon ist im Derivativbereich, und davon wiederum der größte Teil Spekulation: Eine Steuer darauf würde die Realwirtschaft wahrscheinlich überhaupt nicht treffen, sie hätte höchstens einen Lenkungseffekt auf spekulative Transaktionen.


Ihnen geht es doch gar nicht um das Eindämmen spekulativer Geschäfte, sondern um neue Einnahmen für den Staat.

Gröhs: Ich denke, es ist die einzige Chance, das zu machen.

Bleibt das kleine Problem, dass es in vielen Staaten heftigen Widerstand gegen die Steuer gibt – obwohl sie ja angeblich niemand spürte, wie Sie meinen.

Gröhs: Die Steuererhebung ist eine der letzten Bastionen staatlicher Souveränität. Wenn die USA sie einführen, geben sie ein Steuerungswerkzeug auf. Auch in Großbritannien ist der Widerstand sehr groß, obwohl sich Lord Turner (Chef der britischen Finanzaufsicht, Anm.) dafür ausgesprochen hat.

Ist eine Einführung nur im Euroraum denkbar?

Gröhs: Wir brauchen zumindest den Euroraum plus Großbritannien. Ohne die Briten wären die Ausweichmöglichkeit zu groß. Ich kann auch nicht sagen, wie wahrscheinlich eine Einführung ist, aber sie ist jetzt wahrscheinlicher als je zuvor. Und es ist ja nicht unrichtig, ein System zu besteuern, das die Krise mitverursacht hat.

Haben Sie und wir beide die Krise mitverursacht?

Gröhs: Nein.

Aber dennoch sollen wir zahlen, wenn wir künftig Geld aufs Sparbuch legen?

Gröhs: Nur zu einem Teil. Zu einem erheblichen Anteil tragen es die Finanztransaktionen.

Das wird jene Finanzminister sehr freuen, die keine Anstalten machen, die Ausgaben in den Griff zu kriegen. Die werden jetzt sagen: Super, der Spardruck ist weg.

Gröhs: Mir ist lieber, die Wirtschaft funktioniert wieder, als dass Politiker bestraft werden.

Wie stehen Sie denn in Ihrem Hause mit dieser Forderung da?

Gröhs: Wir sind der Meinung, dass wir für die Einführung einer Transaktionssteuer eintreten sollten. Es ist auch für unsere Kunden besser, eine solche Steuer einzuführen, bevor wir uns in einer Biertischdiskussion wiederfinden. Mit dem Thema: Schröpfen wir die Reichen über eine Vermögenssteuer.

Das klingt stark nach einer Art Präventivsteuer. So, als ginge es Ihnen darum, noch größeren Schaden von Ihrer Kundschaft abzuwenden.

Gröhs: So ist es auch. Und ich denke, das ist eine legitime Position. Die Steuer hat allerdings Vorteile für alle. Und: Man braucht solche Leute wie mich nicht, weil sie alle Kriterien erfüllt, die eine Steuer im Idealfall haben sollte: Sie ist einfach einzuheben und verursacht dabei kaum Kosten. Sie wird von einigen Systemteilnehmern einbehalten und abgeführt. Sie braucht niemanden, der die Bürger bei der Steuererklärung berät. Und sie wird zeitnah erhoben, was eine bessere Abstimmung auf die Wirtschaft ermöglicht als derzeit.

Zur Person

Bernhard Gröhs arbeitet seit 1985 als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater für die international tätige Wirtschaftsprüfungsgruppe Deloitte. Gröhs promovierte und unterrichtete an der TU Wien und absolvierte einen LLM-Studiengang in Berkeley (USA). Er verfasste zahlreiche Publikationen zum österreichischen und internationalen Steuerrecht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Steuerpolitik: Neue EU-Idee gegen Steuerbetrug

Bei Geschäften mit Handys, Parfums und Edelmetallen soll durch das „Reverse-Charge-Modell“ der Mehrwertsteuerbetrug verhindert werden.
Mehr Mehrwertsteuer in der Schweiz
International

Schweiz erhöht die Mehrwertsteuer

In der Schweiz steht die Sanierung der Invalidenversicherung an. Finanziert wird das Vorhaben durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das dafür notwendige "Ständemehr" wurde nur knapp erreicht.
Österreich

Einkommen in Österreich werden immer gleicher

Obwohl die Einkommensschere am Arbeitsmarkt in Österreich immer weiter aufgeht, wird das verfügbare Einkommen der Haushalte immer gleicher. Grund: massive staatliche Umverteilungen durch Sozialleistungen.
Österreich

Prognose: Staatsschulden außer Kontrolle

Die Schuldenquote wird sich verdoppeln, schätzt Ex-Wifo-Chef Kramer. Wenn nicht wirklich einschneidende Maßnahmen gesetzt werden, wird die heimische Staatsverschuldung bis 2035 auf 128 Prozent des BIP ansteigen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.