Steuerpolitik: Neue EU-Idee gegen Steuerbetrug

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Bei Geschäften mit Handys, Parfums und Edelmetallen soll durch das „Reverse-Charge-Modell“ der Mehrwertsteuerbetrug verhindert werden.

BRÜSSEL. Die Europäische Kommission nimmt einen neuen Anlauf, um den Mehrwertsteuerbetrug in Europa einzudämmen. Beim Handel mit kleinen und somit leicht zu transportierenden Wertgegenständen soll jeder Mitgliedstaat bis zum Jahr 2014 die Möglichkeit bekommen, die Pflicht zur Zahlung der Mehrwertsteuer vom Verkäufer auf den Käufer (außer bei Konsumenten) zu verschieben. Dieses Modell nennt man „Reverse Charge“, und es hat den Effekt, dass betrügerische Verkäufer nicht mehr beim Finanzamt Vorsteuer anmelden und einkassieren, die ihre ebenfalls betrügerischen Käufer nie bezahlt haben.

Die Brüsseler Behörde schlug am Dienstag vor, dass die Mitgliedstaaten das „Reverse-Charge-Modell“ bis 2014 probeweise für mindestens zwei Jahre auf zwei der folgenden vier Kategorien anwenden: Mobiltelefone, Computerchips, Parfums und Edelmetalle. All diesen Waren ist gemein, dass sie sehr wertvoll sind und leicht von einem Land ins andere geschmuggelt werden können.

Österreich ist dafür

Solche Änderungen der Mehrwertsteuer kann ein EU-Staat nicht auf eigene Faust vornehmen, vielmehr ist dafür die Einstimmigkeit im Rat nötig. Hier liegt die erste Schwachstelle des Vorschlags der Kommission. Sie hat bereits einmal vorgeschlagen, das gesamte Mehrwertsteuersystem auf „Reverse Charge“ umzustellen, und ist damit am Widerstand mehrerer Regierungen gescheitert. Die Mitgliedstaaten konnten sich nicht einmal auf einen Probelauf in einem einzigen Land einigen, wofür sich unter anderem Österreich freiwillig gemeldet hatte. Hierzulande gilt „Reverse Charge“ bereits am Bau und im Schrotthandel.

Wien unterstützt folglich diesen Vorstoß. „Das gibt uns recht, als damit indirekt anerkannt wird, dass Reverse Charge ein taugliches Mittel zur Bekämpfung des Karussellbetrugs ist“, sagte Ministersprecher Harald Waiglein zur „Presse“.

Die zweite Schwäche des Vorschlags der Kommission liegt darin, dass jeder Staat selber entscheiden soll, für welche der vier Warengruppen er „Reverse Charge“ einführen will. Das könnte ab 2011, wenn das System nach Befassung des EU-Parlaments und Einigkeit im Rat in Kraft tritt, zur Folge haben, dass europäische Unternehmen für die Abwicklung der Mehrwertsteuer mehrere einander widersprechende Systeme zu befolgen haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2009)

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