Prognose: Staatsschulden außer Kontrolle

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Die Schuldenquote wird sich verdoppeln, schätzt Ex-Wifo-Chef Kramer. Wenn nicht wirklich einschneidende Maßnahmen gesetzt werden, wird die heimische Staatsverschuldung bis 2035 auf 128 Prozent des BIP ansteigen.

Wien (red.). Ein ausgesprochenes Katastrophenszenario zeichnet der frühere Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Helmut Kramer, für die österreichischen Staatsfinanzen: Wenn nicht wirklich einschneidende Maßnahmen gesetzt werden, wird die heimische Staatsverschuldung bis 2035 auf 128 Prozent des BIP ansteigen, hat Kramer in einer für den „Management Club“ erstellten Studie („Längerfristige Perspektiven der öffentlichen Finanzen in Österreich“) errechnet.

Zum Vergleich: 2008 war die österreichische Staatsschuldenquote knapp unter der im Euro-Stabilitätspakt festgelegten Obergrenze von 60 Prozent des BIP gelegen, heuer dürfte die Staatsschuld krisenbedingt auf rund 70 Prozent des BIP klettern, für 2011 werden dann zwischen 80 und 90 Prozent erwartet. Danach sollte es nach bisherigen Expertenaussagen aber wieder bergab in Richtung Schuldenabbau gehen.

Budgetüberschüsse notwendig

Daran glaubt Kramer allerdings nicht: Sollte die Staatsschuld, wie geplant, bis 2035 wieder auf 60 Prozent zurückgeführt werden, müsste die Republik von 2013 bis 2035 jedes Jahr Budgetüberschüsse von zwei Prozent des BIP erzielen. Das gilt aus heutiger Sicht als völlig ausgeschlossen.

Im Gegenteil: Durch weiteres Aufschieben von radikalen Reformen und durch Zinseszinseffekte werde die Staatsschuld eben auf rund 128 Prozent des BIP steigen.

Das klingt weniger dramatisch, als es ist: 60 Prozent Schuldenquote entsprechen auf derzeitiger BIP-Basis 180 Mrd. Euro Staatsschulden. 128 Prozent wären mehr als 400 Mrd. Euro. Allein für die Zinsen wären dann statt derzeit rund sieben Mrd. Euro knapp 16 Mrd. Euro zu bezahlen. Ein großer Teil der gesamten Mehrwertsteuereinnahmen würde dann nur für die Zinsen der Staatsschuld aufgehen.

Allein schon durch den absehbaren Anstieg der Staatsschuld auf 80 Prozent des BIP bis 2011 (das wären dann 140 Mrd. Euro Schulden) wird der Zinsaufwand auf zehn Mrd. Euro klettern – absehbare Zinserhöhungen nach dem Ende der Krise noch gar nicht eingerechnet.

Kramer stellt das plastisch dar: Der Zinsendienst pro Einwohner wird dann von derzeit 750 auf 1200 Euro pro Jahr klettern.

Kramer meint, dass die Krise Österreich im falschen Moment trifft: Auch ohne die krisenbedingten Budgetbelastungen würde der Staatshaushalt durch „alterungspolitische und umweltpolitische Mehrbelastungen“ aus dem Lot geraten. Allein der Mehraufwand für Pensionen, Bildung, Klimaschutz und Gesundheit werde ohne einschneidende Gegenmaßnahmen 2035 acht Prozent des BIP erreichen. Werde dieser Betrag nicht in anderen Bereichen eingespart, werde die Staatsschuld eben „über die Krisenfolgen hinaus um diese Größenordnungen zusätzlich angehoben“. Dazu komme, dass auf politischer Ebene kein Bewusstsein für das Ausmaß der Krise vorhanden sei – und die Szenarien für die Republik auf deutlich zu positiven Annahmen beruhen.

Kramer: „In welcher Weise die Bedienung der stark angewachsenen Staatsschuld mit unabweisbar höheren Ansprüchen an den Staatshaushalt in Einklang gebracht werden kann, darüber herrschen derzeit kaum vage Vorstellungen“. Und: „In Österreich fehlen ganz allgemein systematische langfristige Strategien, speziell auch solche in Hinblick auf die budgetären Möglichkeiten und Spielräume. Dieses Manko wird bedauerlicherweise häufig durch beschönigende Versicherungen, alles sei ohnehin in Ordnung, ersetzt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2009)

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