Es braucht nun nur noch mehr lei(s)tungswillige Schuldirektoren

(c) Clemens Fabry
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Schulleiter sollen künftig mehr Macht bekommen. Das braucht Managementqualitäten. Derzeit sind sie aber noch mehr Verwalter als Gestalter.

Bildungsdebatten haben in Österreich eine interessante Eigenheit: Grundsätzlich verfällt die Bevölkerung beim Blick auf das Bildungssystem in kollektiven Pessimismus. Es wird über Horden von nicht lesen könnenden Volksschülern, über unvermittelbare Schulabgänger und das schlechte Abschneiden bei internationalen Vergleichstests geklagt. Im Einzellfall – und das ist bemerkenswert – sieht das gefällte Urteil dann aber ganz anders aus. Der Blick auf die Schule des eigenen Kindes ist meist durchaus optimistisch. Dort werde – ausnahmsweise! – vorbildlich gearbeitet. Das System versagt, die einzelne Schule nicht.

Genau aus dieser Grundhaltung erklärt sich die Popularität der angekündigten Schulreform. Den Schulen und den Akteuren vor Ort mehr Gestaltungsspielraum zu geben sollte nach dieser Logik ja erfolgversprechend sein. Ist es auch. Aber bestimmt nicht automatisch. Denn Schulautonomie ist kein Selbstläufer. Das belegt auch die Forschung. Damit Schulautonomie funktioniert, braucht sie neben staatlichen Vorgaben und gewissenhafter Kontrolle vor allem eines: lei(s)tungswillige Direktoren. Schulleiter, die mit der neu gewonnenen Macht umzugehen wissen, sie aktiv nützen.

Derzeit gibt es davon noch nicht viele. Denn nicht alle von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) angekündigten Maßnahmen sind völlig neu. Gewisse Spielräume hatten Direktoren auch bisher. Sie durften auch schon jetzt den morgendlichen Unterrichtsbeginn festlegen, neue Fächer einführen und ein Wörtchen bei der Lehrerauswahl mitreden. Doch nicht alle haben diese Freiheiten in gleichem Ausmaß genutzt. Aus der Tradition heraus haben sich viele wohl immer noch mehr als Verwalter denn Gestalter gesehen.

Damit soll nun offiziell Schluss sein. In Zukunft wird ein Direktor bis zu acht Schulen gleichzeitig vorstehen. In den sogenannten Clustern wird der Direktor sein pädagogisches Team zusammenstellen. Es soll ja nicht jeder Lehrer weiterhin allein in seinem fachlichen Schrebergarten arbeiten. Der Direktor darf sich die Teamspieler neuerdings (fast) im Alleingang aussuchen. Die Ambitionierten kann er sogar mit mittleren Managementposten anlocken. Nur trennen darf sich der mächtigere Schulleiter von ungeeigneten Lehrern weiterhin nicht. So mächtig wollten ihn SPÖ und ÖVP dann doch nicht machen. Die berühmten Wanderpokale werden also bleiben.

Da Personalentwicklung nun endlich auch in den Schulen angekommen ist, brauchen Direktoren künftig mehr Führungsqualitäten. Sie müssen zunehmend zu Managern mit Visionen werden und dürfen nicht unterrichtsmüde Lehrer, die praktischerweise auf einem Parteibuch sitzen, bleiben.

Das macht die nun paktierte Neuregelung der Direktorenbestellung so entscheidend. Erst durch diese sind Managementerfahrungen für die Bewerber für Schulleiterposten Voraussetzung. Interessenten haben vorab zumindest einen Teil einer Führungsausbildung zu absolvieren. Sie müssen sich künftig außerdem mit einer Idee, einem Konzept für die Entwicklung der Schule, um die Stelle bewerben. Auch das soll für die Auswahl ausschlaggebend sein. Unglaublich eigentlich, dass derart banale Dinge neu für das Bewerbungsverfahren sind. Denn nur wenn objektive Entscheidungen bei den Postenbesetzungen getroffen werden und die Schulleitung endlich nicht mehr vom genehmsten, sondern dem geeignetsten Kandidaten übernommen wird, wird in weiterer Folge auch die Schulautonomie funktionieren.

Mit einem Attraktivitätsproblem könnte der Direktorenposten – trotz steigender Freiheiten und Verantwortung – dennoch weiterhin kämpfen. Denn finanziell ist die umfangreiche Aufgabe nicht allzu attraktiv. Laut Agenda Austria verdienen Direktoren derzeit nur um maximal 18Prozent mehr als der bestbezahlte Lehrer an der Schule. Da könnten in den nächsten 15 Jahren so einige Direktorensessel vakant bleiben. In diesem Zeitraum werden in Österreich altersbedingt nämlich mehr als die Hälfte der Direktoren in Pension gehen.

E-Mails an:julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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