Mars-Mission: Sechs Jahre Suche nach Lebensspur

Mission ExoMars
Mission ExoMars(c) APA/dpa/Uwe Anspach (Uwe Anspach)
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Bei der ersten gemeinsamen Mission Russlands und der ESA zum Roten Planeten wurde ein Lander auf der Marsoberfläche abgesetzt. Man sucht Spuren von Methangas; die politische Bedeutung ist immens.

Is there life on Mars?“, fragte der heuer im Jänner mit 69 Jahren gen Himmel gefahrene englische Popkünstler David Bowie 1971 in seinem gleichnamigen Song auf dem Album „Hunky Dory“. Nun, wir werden das gewiss noch lang nicht wissen, woran auch jene historische Mission ExoMars vorerst nichts ändert, die gestern Nachmittag zum ersten Mal einen gemeinsamen Planetenlander der europäischen Weltraumagentur ESA und Russlands auf unseren roten Nachbarn gebracht hat. Er ist momentan immerhin 176 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.

Ob die scheibenförmige Maschine Giovanni Schiaparelli, deren Masse 580 Kilogramm beträgt, ihre für 16.48 Uhr (MESZ) erwartete Landung in der äquatornahen Region Meridiani Planum überstanden hat, war bei Druck dieser Ausgabe indes unklar. Namensgeber ist der Italiener Giovanni Schiaparelli (1835–1919), der 1877 rinnenartige Strukturen auf dem Mars entdeckt und „canali“ genannt hat, was man als von Marsmenschenhand gebaute Kanäle ausgelegt und das neuzeitliche „Marsfieber“ begründet hat.

(c) Quelle ESA. Grafik: Die Presse - MGM Foto: Nasa

Die zwei Teile von ExoMars, Schiaparelli und sein „Bus“, der Satellit Trace Gas Orbiter (TGO), wurden im März von einer russischen Protonrakete gestartet. Am Sonntag hatten sie sich, astronomisch gesehen, sehr nah am Planeten, der mit 6800 Kilometern Durchmesser halb so groß wie unsere Welt ist, getrennt. Schiaparelli tauchte am Mittwochnachmittag in 121 km Höhe über dem Mars mit 21.000 km/h in die dünne Atmosphäre aus 96 Prozent Kohlendioxid ein (der Luftdruck am Boden hat 0,6% des irdischen Werts) und legte einen rumpligen Ritt hin. Er dauerte kaum sechs Minuten, wobei die Sonde von der Atmosphäre, ab elf Kilometern per Fallschirm und die letzten 1,1 km von Raketen gebremst werden sollte (Grafik). Zwei Meter über Grund stoppten diese, worauf das Gerät mit (berechnet) zehn km/h auftraf. Eine Steuerung von der Erde war schon wegen des Signallaufs (gut zehn Minuten) unmöglich, alles lief automatisch.

Suche nach „Lebensspur“ Methan

TGO wird in einen Orbit gebracht, dieser Satellit trägt wissenschaftlich die Hauptlast. Über die nächsten wohl mehr als sechs Jahre soll er vor allem Atmosphäre und Oberfläche des Mars auf Trace Gases – Spurengase – checken. Sie machen kaum ein Prozent der Atmosphäre aus, es geht vor allem um Methan (CH4). Der Kohlenwasserstoff wird auf der Erde zu mehr als 90% bei biologischen Prozessen wie Fäulnis und Verdauung frei. Seit 2004 weiß man, dass es auf dem Mars Methanemissionen gibt. Da erzeugtes Methan aber nicht ewig (etwa 350 Jahre) in der Marsatmosphäre verbleiben dürfte bzw. in der Zeit abgebaut wird, muss es aktive Quellen geben – also biologische Prozesse. Allerdings könnte Methan dort auch durch „tote“ geologische Prozesse entstehen.

Schiaparellis Leben wird wohl nur sechs Tage währen, dann sind die Batterien leer. Sein Sinn ist, Landetechnologien für künftige Missionen zu testen, wobei er russische und ESA-europäische Elemente trägt. 2021 soll die nächste gemeinsame Marslandung stattfinden, wobei ein russischer Lander das dreiachsige ESA-Robotergefährt ExoMars Rover absetzen soll, das auf dem Boden nach biologischen Spuren suchen und zwei Meter tief bohren kann. Von zuvor 45 Flügen zum Mars seit Marsnik 1 (UdSSR, 1960) gab es bisher nur sieben erfolgreiche Landungen, alles amerikanische (freilich war auch nur ein kleiner Teil der Missionen als Landung gedacht, die meisten waren einfach Orbitalsonden). Die ESA scheiterte 2003 mit dem britischen Landegerät Beagle 2. Österreich ist bei ExoMars beteiligt, vor allem mit Isolierhüllen der Firma Ruag Space.

Die Kooperation zwischen ESA und Russland ist auch politisch bedeutsam. An sich hätten die Europäer die in den 2000ern geplante Mission allein, dann mit der Nasa durchziehen wollen. Die Nasa sagte 2009 zu, aber drei Jahre später wegen Finanzproblemen und Vorrangprojekten ab, worauf 2013 die Russen von Roskosmos einsprangen und nicht nur die Raketen, sondern auch Komponenten der Sonden stellten. Der Einbruch der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen hat ExoMars nicht berührt.

Weltpolitisch enorm bedeutsam

Überhaupt ist der Mars, der schon antike Völker faszinierte und Autoren wie H. G. Wells zu Büchern über Marsianer inspirierte („Krieg der Welten“, 1898), seit Jahren ein ernstes Ziel, nicht nur für klassische Weltraummächte. Zhang Wei, Generaldirektor der chinesischen Weltraumbehörde CNES, sagte 2007 zur „Presse“, man würde sich einem bemannten Marsflug der USA und Europas gern anschließen. Indien hat sich ähnlich geäußert. Im Februar betonte William Gerstenmaier, Chef des bemannten Nasa-Raumprogramms, in Wien, dass bei bemannten Flügen der Nasa, die ab 2020 um den Mond herum, ab 2030 zu einem Asteroiden und bis 2040 zum Mars angesetzt sind, Europa sowieso dabei ist – es stellt das Antriebs- und Lebenserhaltungsmodul der neuen Orion-Schiffe der Nasa. Dass zweitens die Mission international, inklusive der Russen, angelegt sein werde, sei aus heutiger Sicht auch selbstverständlich.

Dass (nicht nur) die medizinischen Probleme bei den mindestens 500 bis 1100 Tage währenden Expeditionen durch die schwarze Leere zum Mars und zurück weiter ihrer Lösung harren, sei dahingestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

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