Die rechtsextreme Jobbik verweigerte die Zustimmung zur Verfassungsänderung. Ungarns Premier wollte sich damit gegen die EU-Flüchtlingsquote sperren.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist mit einer von ihm angestrebten Verfassungsänderung gegen die Aufnahme von Asylwerbern gescheitert. Bei einer Abstimmung im Budapester Parlament stimmten am Dienstag nur die 131 Abgeordneten der Regierungsparteien für Orbans Vorlage. Damit wurde die für Grundgesetzänderungen vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit um zwei Stimmen verfehlt.
Orban wollte die Verfassung des Landes ändern, um sicherzustellen, dass kein EU-Beschluss die "verfassungsmäßige Identität" Ungarns verändern darf. Verhindert werden sollte "die kollektive Ansiedlung von Ausländern in Ungarn gegen den Willen des Volkes". Die Orban-Regierung will möglichst keine Flüchtlinge im Land aufnehmen und schottet sich mit Zäunen an seinen Südgrenzen gegen sie ab.
Um das Gesetz gegen EU-Flüchtlingsquoten anzunehmen, hätte es in dem 199-köpfigen Parlament 133 Stimmen benötigt. Bei einer Abstimmung im Budapester Parlament stimmten am Dienstag jedoch nur die 131 Abgeordneten der Regierungsparteien, der rechts-konservativen Fidesz sowie der Christdemokraten (KDNP), für Orbans Vorlage. Außerdem gab es drei Gegenstimmen aus der Opposition. Die restlichen Abgeordneten enthielten sich.
Jobbik will Verkauf von Aufenthaltstiteln stoppen
Die Verfassungsänderung hätte mit den Stimmen der rechtsextremen Jobbik-Partei gebilligt werden können. Jobbik-Chef Gabor Vona machte jedoch die Zustimmung seiner Fraktion davon abhängig, dass die Regierung Orban jene Regelung abschafft, die es reichen Nicht-EU-Ausländern ermöglicht, sich das Niederlassungsrecht in Ungarn und damit in der EU zu erkaufen. Orban wollte sich aber darauf nicht einlassen.
Jobbik erklärte, die Verfassungsänderung könne dennoch innerhalb von 24 Stunden abgesegnet werden, wenn die Regierung Orban den Verkauf von Aufenthaltstiteln einstellt. Vona forderte zugleich, die bisher erfolgten Geschäfte unter nationalen Sicherheits- und wirtschaftlichen Aspekten zu durchleuchten. Jobbik hatte die seit 2013 zumeist über sogenannte Offshorefirmen verkauften Aufenthaltsrechte schon länger als "dreckiges Geschäft" kritisiert. Sie seien ein Risiko für die nationale Sicherheit und könnten auch von der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) missbraucht werden, kritisierte die Partei. "Weder arme noch reiche Migranten sollten sich in Ungarn niederlassen dürfen", sagte Vona. Jobbik-Abgeordnete hielten am Dienstag ein Transparent hoch: "Ein Hochverräter ist der, der für Geld Terroristen ins Land lässt".
Kampagne um 65 Mio. Euro
In einem Monat "zwei Ohrfeigen für Orban", kommentierte der Chef der oppositionellen Demokratischen Koalition (DK), Ferenc Gyurcsany, am Dienstag das Scheitern der Vorlage. Die Sozialisten sprachen von der teuersten Abstimmung aller Zeiten. Die vorangegangene eineinhalbjährige "Hass-und Lügenkampagne" hätte rund 20 Milliarden Forint (65,35 Mio. Euro) verschlungen.
Fidesz-Fraktionschef Lajos Kosa machte seinem Ärger über das gescheiterte Gesetzesvorhaben Luft und beschuldigte die Opposition, den "Willen der Menschen" zu ignorieren. Das Parlamentsvotum habe gezeigt, dass sich "das Land im Kampf gegen die EU-Zwangsquoten nur auf die Regierungsparteien Fidesz-MPSZ und die Christdemokraten verlassen kann", erklärte Kosa. Solange Fidesz an der Macht sei, würde niemand Fremde in Ungarn verbindlich ansiedeln können.
Mit einer vom Parlament abgesegneten Verfassungsänderung wollte Orban durchsetzen, was bei einer Volksabstimmung Anfang Oktober gescheitert war. Bei dem Referendum am 2. Oktober hatten sich zwar mehr als 98 Prozent der Teilnehmer gegen die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU ausgesprochen - das Ergebnis war aber wegen zu geringer Beteiligung ungültig.
Ungarn wehrt sich gegen 1294 Migranten
Das Referendum war eine Reaktion auf die 2015 vereinbarten EU-Quoten zur Umverteilung von 160.000 über Italien und Griechenland eingereisten Migranten. Ungarn müsste demnach 1.294 Menschen aufnehmen. Ungarn hatte außerdem eine Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die EU-Verteilungsquote eingereicht. Eine Entscheidung dazu wird im laufenden Gerichtsjahr erwartet, das am 5. September begann.
Die EU-Kommission wollte das Scheitern der Verfassungsänderung in Ungarn am Dienstag nicht kommentieren. Es handle sich um rein nationale Gesetzgebung in einem EU-Mitgliedsstaat, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.
(APA/dpa/AFP/MTI)