Rechtspopulisten fühlen sich durch US-Wahl bestätigt. EU-Regierungen gratulieren freundlich, doch warnen vor Überreaktionen und „Diskontinuität“ in den Beziehungen zu den USA.
Paris/Brüssel/Wien. Europas rechtspopulistische Parteien fühlen sich durch Donald Trumps Sieg in ihrem Kampf gegen gegen Zuwanderung, eine multiethnische Gesellschaft und das Establishment bestärkt. Noch bevor von den meisten EU-Regierungen freundliche Gratulationen an den siegreichen republikanischen Kandidaten übermittelt wurden, entfachten sie am Mittwoch ein Jubelfeuer in Aussendungen und Tweets. Politische Gruppen, die in der Migrationspolitik, in der Rückkehr zur nationalen Abgrenzung und in ihrer Kritik gegen Medien ähnliche Ansichten vertreten wie der künftige US-Präsident in seiner Wahlkampagne, hoffen nun auf eine Welle, die sich auch in Europa verstärkt.
„Heute die Vereinigten Staaten, morgen Frankreich“, zeigte sich die Vorsitzende des rechten Front National, Marine Le Pen, für die kommende Präsidentenwahl 2017 hoffnungsfroh. „Der Marsch von Trump ist kein isoliertes Phänomen, auch in Europa wollen immer mehr Wähler einen wirklichen Wechsel“, twitterte der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders. „Dein Sieg ist historisch und für uns alle.“ Noch bevor überhaupt das Endergebnis feststand, sprach der Chef der EU-kritischen britischen Partei Ukip, Nigel Farage, von der „zweiten Revolution in einem Jahr“ und meinte damit neben Trumps Sieg das Brexit-Votum der Briten. Auch Ungarns Ministerpräsident, Viktor Orbán, kommentierte den Ausgang der Wahl als „großartige Nachricht“.
„Sieg gegen Pseudo-Eliten“
Obwohl abzuwarten ist, wie Trump seine Ankündigungen als Präsident umsetzen wird, sind die Parallelen zwischen seinen Wahlkampfäußerungen und Forderungen rechter Parteien in Europa augenscheinlich: Der republikanische Kandidat hat Mauern an der US-Südgrenze und einen Einwanderungsstopp für Muslime gefordert, den internationalen Freihandel und die deutsche Kanzlerin für die Aufnahme von Flüchtlingen kritisiert. Trump stellt die Glaubwürdigkeit etablierter Medien infrage. Neben inhaltlichen Übereinstimmungen eint Trump und Europas Rechte aber vor allem eine tiefe Ablehnung der sogenannten Eliten, die sowohl bei etablierten Parteien, Finanzinstituten und der Industrie als auch in Medien geortet werden. Durch Trumps Sieg erhalte ein vom politischen Establishment entmündigtes Volk seine Stimme zurück, sagte die Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry. Der ehemals sozialdemokratische tschechische Präsident Miloš Zeman reagierte ähnlich: „Die Amerikaner haben gezeigt, dass man das Machtkonglomerat aus verlogenen Medien und schwülstigen Pseudo-Eliten besiegen kann.“
Die europäischen Regierungsvertreter spalteten sich am Mittwoch indessen in eine Gruppe, die vor Überreaktionen warnte, und eine, die bereits mögliche negative Folgen der US-Wahl ansprachen. Der niederländische Ministerpräsident, Mark Rutte, zeigte sich etwa optimistisch, dass sein Land die „gute Zusammenarbeit“ fortsetzen könne. Italiens Außenminister, Paolo Gentiloni, erwartet keine Änderung in den Beziehungen. Ähnlich positiv äußerten sich die polnische und britische Führung. Zurückhaltend reagierte sogar der sonst eher harsch auftretende EU-Parlamentspräsident, Martin Schulz. Der Deutsche sprach von einem „Wahlsieg, der respektiert werden muss“.
Frankreichs Präsident, François Hollande, sieht hingegen eine Periode der Unsicherheit auch auf Europa zukommen. Er rief zu mehr Einigkeit in der Europäischen Union auf. Und er versicherte: Paris werde in den künftigen Gesprächen mit der US-Führung „wachsam und ehrlich“ sein. Auch der slowakische Außenminister, Miroslav Lajčák, als Vertreter der amtierenden EU-Ratspräsidentschaft, plädierte für eine notwendige Wachsamkeit in Europa: „Trump ist zweifellos kein Präsident der Kontinuität, sondern der Diskontinuität.“ Das betreffe nicht nur die Innen-, sondern auch die Außenpolitik. Deutschlands Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, forderte sogar ein Sondertreffen aller EU-Außenminister, um über die Konsequenzen der Wahl für Europa zu beraten. Es soll am Sonntag stattfinden.
Sicherheitspolitische Wende?
In einigen europäischen Ländern wird eine Änderung in der Sicherheitspolitik erwartet. Sollte Trump seine Ankündigungen wahr machen und internationale Militäreinsätze reduzieren, wäre die EU in Verteidigungsfragen verstärkt auf sich allein gestellt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte in einer ersten Reaktion von Trump denn auch ein weiter „starkes Engagement“ der USA im Militärbündnis. Die US-Führungsrolle sei unverändert wichtig. Polen, das sich vor einer Eskalation an seiner Ostgrenze fürchtet, hat Trump vor einer Reduzierung des Engagements in Osteuropa gewarnt. Präsident Andrzej Duda erinnerte an die Zusage Washingtons, weitere Soldaten in Polen zu stationieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)