IHS: Auswirkungen von Trump-Präsidentschaft unberechenbar

Wohin steuert Donald Trump die USA?
Wohin steuert Donald Trump die USA?(c) APA/AFP/GETTY IMAGES/CHIP SOMODEVILLA
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IHS-Chef Martin Kocher ortet viele Hausaufgaben der Politik dies- und jenseits des Atlantiks.

Der Austritt Großbritanniens aus der EU - der "Brexit" - wird nach Meinung von IHS-Chef Martin Kocher nur relativ geringe direkte Auswirkungen auf Österreich haben, größer könnten jedoch die indirekten Effekte über die EU sein, auch politisch. Vom neuen US-Präsidenten Donald Trump seien Einschränkungen der Freiheit des Welthandels zu erwarten - wie sehr, werde auch von seinen Beratern abhängen.

Sollte Trump etwa tatsächlich das NAFTA-Abkommen mit Mexiko und Kanada aufkündigen, könnte das potenziell tatsächlich katastrophale Auswirkungen haben, so Kocher am Mittwoch. Es könnte aber auch sein, dass ihm seine Berater raten, gewisse Punkte der Wahlkampfäußerungen nicht umzusetzen, gab der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) zu verstehen.

Bei den US-Wahlen, dem Brexit-Votum oder dem CETA-Abkommen habe sich eine Mehrheit aus antiwirtschaftsliberalen und rechtskonservativen Kräften gezeigt, für den IHS-Chef "strukturell ein Problem". Möglich geworden sei dies durch "eine steigende Zahl von Leuten mit Abstiegsängsten, obwohl es diesen Abstieg in einem größeren Maße nicht gibt". Bildung sei das beste Mittel gegen Zukunftsängste, so Kocher: "Wir schaffen für alle im Bildungsbereich Chancengleichheit, das ist das einzige Versprechen, das die Politik machen kann." Aber eigentlich gebe es so etwas in Österreich nicht mehr, in den USA schon gar nicht: "Soziale Mobilität kann Bildung in Österreich nicht mehr herstellen."

Anders als für die Auswirkungen einer Trump-Präsidentschaft gebe es für den Brexit schon Berechnungen. Für Österreich gehe er von relativ geringen direkten Auswirkungen aus im Ausmaß von 0,1 bis 0,3 Prozent der Wachstumsraten, sagte Kocher im Klub der Wirtschaftspublizisten. UK sei für Österreich nur der achtgrößte Handelspartner.

Größer sei die Gefahr durch indirekte Auswirkungen über die EU, auch politisch. Noch unklar sei freilich, wie die Brexit-Verhandlungen konkret ablaufen werden, da sei nämlich wenig fixiert, auch rechtlich. Die Verhandlungen könnte die EU-Kommission oder der Rat führen, also die Staats- und Regierungschefs. Die EU-Kommission könnte versucht sein, den Austritts für Großbritannien so teuer wie möglich zu machen, obwohl einzelne EU-Mitgliedsländer wie Deutschland eher ihre eigene Wirtschaft im Blick hätten. Offen sei auch, welche Zahlungen an die EU England nach einem Austritt zahlen würde - auch Schweiz und Norwegen leisten als Nichtmitglieder Zahlungen. Auch zur Personenfreizügigkeit sieht Kocher noch offene Fragen: Die EU werde sie nicht aufgeben, eventuell werde es aber eine Art Gefahrenklausel geben.

Europas Fiskalpolitik hat nach Ansicht des IHS-Chefs aus der letzten Krise nicht die richtigen Lehren für Krisenresistenz gezogen, wie er vor Journalisten sagte. Womöglich müsse wieder die Geldpolitik bei der nächsten Krise die Probleme klären. Fraglich sei momentan aber auch, wie die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik umgehe, "wenn das Pendel wieder umschlägt" - nämlich wie man in einigen Jahren mit der hohen Geldmenge umgehe, die durch die expansive Geldpolitik vorhanden sei. "Und was passiert mit den langfristigen Finanzierungen, wenn die Zinsen nicht so niedrig bleiben?"

Schon bei der Formierung des Euroraums sei klar gewesen, dass die Südländer geringere Produktivitätszuwächse haben werden und unter Druck kommen, aber nicht mehr wie früher ihre nationalen Währungen anpassen können. Da gebe es nur zwei Möglichkeiten, nämlich Löhne und Preise national zu senken, um das Differenzial zwischen der Inflation in den Boom- und den Rezessionsländern zu erhöhen - "je größer das Differenzial, desto rascher die Anpassung", "mit zwei Prozent braucht man für Griechenland 10 bis 15 Jahre für eine Angleichung der Produktivität, für andere Länder kürzer". Oder, zweite Möglichkeit: die Migration - "wer keinen Job findet, muss ins Ausland gehen", so der Verhaltensökonom.

Die USA seien eigentlich auch nichts Anderes als "eine Währungsunion der Bundesstaaten". Allerdings seien die USA zu hoch verschuldet - Europa als ganzes habe in Summe weniger Schulden als die Vereinigten Staaten. Dafür stelle in den USA der Außenhandel lediglich 10 bis 15 Prozent des BIP, in Europa als viel offenerer Volkswirtschaft sei es das Doppelte.

"Ein Staat ist etwas anders als ein Unternehmen zu führen", so Kocher zum künftigen US-Präsidenten Trump. US-Firmen aus den NAFTA-Nachbarländern zurückzuholen, "ginge nur über Steuerzuckerln". Wie sich der Dollar entwickle, "hängt ganz stark davon ab, wie sich die Schulden entwickeln". Die Finanzmärkte hätten nach der Wahl Trumps "relativ stark", aber nur "kurz" mit einer Bewegung nach unten reagiert, die Gegenbewegung habe es wegen der Inflationserwartungen gegeben. Offenbar sei die "Erwartung doch, dass die Wirtschaftspolitik von Trump nicht so schlimm wird".

(APA)

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