Wie sich Europa auf Trump einstellt

U.S. President Barack Obama and Chancellor Angela Merkel attend a private dinner at the famous Adlon hotel in Berlin
U.S. President Barack Obama and Chancellor Angela Merkel attend a private dinner at the famous Adlon hotel in Berlin(c) REUTERS (BPA)
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Angela Merkel und ihre Verbündeten wollen die Nato stärken und am harten Kurs gegenüber Russland festhalten.

Berlin/Wien. Zum Abschied bekam Barack Obama ein Geschenk von Angela Merkel: eine Weihnachtspyramide aus dem Erzgebirge. Dieses holzgeschnitzte, karussellartige Kerzengestell diente im Mittelalter dazu, mit der Kraft des Lichts Unheil in dunklen Zeiten abzuwenden. Mag sein, dass sich die deutsche Kanzlerin – mit Blick über den Atlantik – etwas dabei gedacht hat.

Jedenfalls war das Ding irgendwie sinnbildlich für die Gespräche, die Merkel am Freitag im Berliner Kanzleramt mit einer Runde von Staatenlenkern geführt hat. Neben Obama waren das Theresa May, die britische Premierministerin, Matteo Renzi und Mariano Rajoy, die Ministerpräsidenten Italiens und Spaniens sowie der französische Staatspräsident François Hollande.

Es ging um die internationalen Konflikte, um die Ukraine, um Syrien, aber auch um Donald Trump, von dem niemand weiß, welchen Kurs er da und dort einschlagen wird. Europa will sicherheitshalber näher zusammenrücken. „Ein Mensch allein kann niemals alles lösen“, sagte Merkel, die am Sonntag erklären wird, ob sie bei der Bundestagswahl 2017 erneut kandidiert. „Wir sind nur gemeinsam stark.“ Was das im Detail bedeutet?


Nato. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigten bei ihrem Treffen, dass die Nato ein wichtiger Pfeiler der Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa bleiben müsse. Zuvor hatten Wahlkampfaussagen des künftigen US-Präsidenten für Verunsicherung in Europa gesorgt. Trump hatte anklingen lassen, es nicht mehr so ernst mit der Bündnispflicht zu nehmen: Sollte einer der Nato-Partner von Russland angegriffen werden, werde er erst prüfen, wie viel dieses Land in seine Verteidigung investiert habe, bevor er Hilfe schicke.

Aber auch unter Trump könnten es sich die Vereinigten Staaten nur schwer leisten, im Ernstfall den Verpflichtungen gegenüber ihren Verbündeten nicht nachzukommen. Doch Trumps Aussagen – kombiniert mit seinen Freundschaftsbezeugungen gegenüber Russlands Präsidenten Wladimir Putin –, ließen vor allem in den osteuropäischen Staaten die Sorge wachsen, dass der US-Schutzschirm löchrig werden könnte.

Ukrainekriseund Russland. Trumps Wohlwollen gegenüber Putin sorgt für Spekulationen, dass der neue US-Präsident Moskau auch in der Ukrainekrise entgegenkommen könnte. Obama verständigte sich nun in Berlin mit den Europäern darauf, dass die Sanktionen gegen Russland wegen dessen Rolle im Ukrainekonflikt bestehen bleiben sollen: Für eine Aufhebung der Maßnahmen müsse Moskau seine Verpflichtungen aus dem Minsker Friedensabkommen erfüllen.

Syrien. Die Berlin-Runde verlangt, dass Syriens Streitkräfte und deren Verbündete, Russland und der Iran, die Angriffe auf den von Rebellen kontrollierten Osten der Großstadt Aleppo einstellen. Die Chancen darauf stehen allerdings nicht gut. Syriens Luftwaffe hat die Angriffe auf Ostaleppo verstärkt. Und auch Russland intensiviert seine Operationen in ganz Syrien.

Die russischen Luftschläge gelten nicht nur den Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS), die auch von den USA und den Europäern bekämpft werden. Sie treffen vor allem andere Rebelleneinheiten, die gegen Syriens Machthaber Bashar al-Assad revoltieren. Um seine strategischen Interessen zu wahren, versucht Russland das Assad-Regime zu stärken. Das ist zuletzt auch gelungen.

Vor allem Frankreich forderte immer wieder einen härteren Kurs gegen Assad, als ihn Obama einzuschlagen bereit war. Der nächste US-Präsident Trump könnte sogar Assad weitgehend rehabilitieren und Moskau noch mehr Spielraum in Syrien lassen als bisher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2016)

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