Uli Hoeneß, zurück in seinem Revier

Uli Hoeneß ist zurück, verkörpert als Präsident wieder das Epizentrum des FC Bayern. Seine Fans jubeln, seine Gegner wappnen sich.
Uli Hoeneß ist zurück, verkörpert als Präsident wieder das Epizentrum des FC Bayern. Seine Fans jubeln, seine Gegner wappnen sich.imago/ActionPictures
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„Mia san mia reloaded“: Uli Hoeneß, 64, Metzgersohn, Fußballer, Selfmade-Manager, Bauchmensch, Patron und Ex-Häftling wird wieder Präsident des FC Bayern.

Uli Hoeneß hat sich absolute Ruhe verordnet. Interviews will er vor dem Tag X, vor der Präsidentenwahl auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München am Freitag, nicht geben. Auch auf die Reisen zum Bundesligaspiel nach Dortmund oder zum Champions-League-Match ins russische Rostow verzichtete der 64-Jährige. Er schweigt. Was aber auch heißt: Da staut sich tüchtig was in ihm auf.

Wer glaubt, Hoeneß würde die Zeit nutzen, um seine Rede für den großen Tag zu verfassen, der irrt. Kein Manuskript, freie Rede. Sein Gefühl, sein Bauch werden ihn auf eine Umlaufbahn der Emotionen führen – schwer zu kontrollieren, nicht vorherzusagen. Er ist wie eine Wundertüte am Rednerpult, hier kommt Kult. Wie immer. Es ist sicher: Uli Hoeneß wird der neue, alte Präsident des FC Bayern.


Situation, die „wir“ erlebten. Hoeneß ist der einzige Bewerber, der aktuelle Amtsinhaber Karl Hopfner tritt nicht mehr an. Im Klub wollte man eine Kampfabstimmung vermeiden, es wäre bei wohl maximal einem Prozentpunkt an Stimmen für Hopfner auch keine geworden. Noch sei Hoeneß nicht nervös, heißt es aus dem Verein, eine gewisse Anspannung wäre ihm jedoch anzumerken. Vor seinem Schweigegelübde sagte er: „Das ist natürlich etwas ganz Besonderes nach der Situation, die wir alle erlebt haben.“ Wir alle. Die Mitglieder, die Bayern-Fans, ganz Deutschland und der Rest der Welt.

21 Monate war er in Haft, 14 davon im offenen Vollzug. Als Hoeneß wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro am 14. März 2014 verurteilt wurde, hatte er seine Ämter als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender niedergelegt. Im Jänner 2016 wurde er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Als neuer Mensch? „Ja, ich habe mich verändert. Ich bin nachdenklicher und auch demütiger geworden“, sagte er der Münchner „Abendzeitung“. „Soziale Themen waren mir früher wichtig, aber sie sind mir noch wichtiger geworden. Was ich alles an Schicksalen erlebt habe, hat mich geprägt, und das wird auch in meine Arbeit einfließen.“

Als Freigänger kümmerte er sich um die Jugendarbeit, trieb zuletzt leidenschaftlich das Basketball-Projekt der Bayern voran. Bekommen die Fans ihren alten, etwas neuen Uli zurück? Den Patron, den ersten Fan und Anwalt, das Gesicht des Vereins, der eine Dummheit begangen hat, dafür büßen musste und nun „Mia san mia reloaded“ darstellen will? Ja, bekommen sie. Metzgersohn, Fußballer, Selfmade-Manager, Präsident, Bauchmensch und Visionär. Er ist wieder zurück.

Während der Klub expandiert, hat Hoeneß im Gefängnis ziemlich abgenommen, sich zuletzt jedoch der alten Form wieder genähert. Auch rhetorisch. Der Schalter, der seine Angriffslust justiert, neigt sich wieder zur „Abteilung Attacke“, so lautete einst sein Spitzname. In Hochzeiten konnte wirklich jeder im Lande, ob Fußballer, Trainer, Präsident oder Politiker, in den Sturm seiner Worte geraten. „Das war's noch nicht“, rief er bei seiner letzten Rede vor dem Haftantritt im Mai 2014 ins Mikrofon. Die Mitglieder johlten.

Natürlich war es das noch nicht. Der einstige Modus flackerte wieder in ihm auf, es glich einer Art von Probelauf. Eines der Opfer der verbalen Testballons war Sensationsaufsteiger RB Leipzig, längst in Hoeneß' Fadenkreuz, weil durch die Millionen von Dietrich Mateschitz ein künftiger Dauerkonkurrent entstanden ist. „Die haben natürlich den Vorteil, dass sie – meiner Meinung nach – während der Woche immer auf der Couch liegen, wenn wir im Champions-League-Rhythmus sind.“ Auch Hoffenheim, obwohl er Mäzen Dietmar Hopp sehr schätzt, bekam eine Breitseite: „Hoffenheim wird Schwierigkeiten haben, eine Internationalisierung voranzutreiben.“ Der Klub müsse „sein Hauptaugenmerk darauf legen, sich national durchzusetzen“. Diese Gratistipps transportieren zumeist auch eine weitere Message: Die schaffen es eh nicht.

Auch in Sachen Innenpolitik sprach Hoeneß, als habe er ein Wahlprogramm nötig: „Wir werden unsere Wurzeln immer in München, in Bayern und in Deutschland haben. Wir müssen die anderen alle Verrücktheiten machen lassen.“ Sein Verein müsse darauf achten, dass „wir die Fans, die wir in Shanghai, Buenos Aires oder Charlotte gewinnen, nicht in Deggendorf oder Waldkraiburg verlieren.“ Er, der Rückkehrer, wird dafür sorgen. Die Macht ist ohnehin mit ihm. Mit ihm, dem ab Freitag protokollarisch offiziell reanimierten Herz des FC Bayern.


Anders nach der „Auszeit“. „Ich denke, dass Karl-Heinz Rummenigge und ich Bayern noch stärker machen“, träumte er im September laut vor sich hin, „ich könnte mir vorstellen, dass Karl-Heinz mehr fürs Geld verantwortlich ist, ich fürs Herz.“ Womit er dem Vorstandsvorsitzenden, während Hoeneß' Haft der starke Mann der Bayern, gleich seine künftige Rolle zuwies. Man habe nach 42 gemeinsamen Jahren im Fußball-Business ein „intaktes, freundschaftliches und sauberes Verhältnis“. Rummenigge glaubt, dass „Uli heute anders tickt als vor seiner Auszeit“.

Mit Erzfeinden wie Christoph Daum oder Willi Lemke hat sich Hoeneß mittlerweile versöhnt. Aber altersmilde ist er nicht, einer wie er braucht frisches Blut, neue Gegner. Feindbilder als Antrieb, daraus zieht er einen Teil seiner Kraft. Man darf gespannt sein auf seine Rede am Freitag. Wird es emotional, werden die 6000 erwarteten Besucher im Audi Dome, der Heimat der Basketballer, sich zunicken, ihm frenetisch zujubeln. Ganz der Alte, unser Uli, werden sie sagen. Die anderen werden schon sehen, was sie davon haben, dass Uli Hoeneß zurück ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2016)

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