Kindesmissbrauch: Täter als "Meister der Manipulation"

THEMENBILD: KINDERPORNOGRAPHIE
THEMENBILD: KINDERPORNOGRAPHIE(c) APA/HELMUT FOHRINGER (Helmut Fohringer)
  • Drucken

Die Täter täuschen ganze Familien und zerstören die Beziehung zu Vertrauenspersonen der Opfer, sagt Therapeutin Claudia Rupp. Ein Therapieerfolg hängt vom Täter ab.

Kindesmissbrauch innerhalb eines Familienverbandes bleibt oft lange unbemerkt. "Täter sind Meister der Manipulation, insbesondere Sexualstraftäter", erklärte Claudia Rupp vom Berufsverband der österreichischen Psychologen (BÖP) und Mitarbeiterin bei der Institution "Männerberatung" in Wien, die solche Männer betreut. "Dabei manipulieren sie nicht nur die Opfer, sondern auch ihre Umwelt, um Missbrauch möglich zu machen." Folglich schauen Angehörige nicht einfach weg, sondern werden meist selbst vom Täter getäuscht.

Sexualstraftäter wählen ihre Opfer dementsprechend aus und versuchen, deren Beziehung zu ihnen nahe stehenden Menschen zu zerstören, damit sich die Gequälten ihnen nicht anvertrauen. Bei Missbrauch innerhalb der Familie versuchen sie z. B. die Beziehung zwischen Mutter und Kind zu beeinflussen, indem sie dem Nachwuchs gegenüber Zugeständnisse machen, die die Mutter nicht machen würde. "So versuchen sie, die Opfer gefügig zu machen und kreieren einen Geheimhaltungspakt", sagte die Psychologin.

Angehörige hinters Licht führen

Ihre Fähigkeit zu manipulieren, können Täter auf alle möglichen Personen in ihrem Umfeld ausüben. Oft fragt man sich aber, warum gerade Ehe- oder Lebenspartnerinnen von Straftätern nichts bemerkt haben: "In der Regel ist der Missbrauch nicht so auffällig, die Frauen bekommen nichts mit. Der Großteil fällt später aus allen Wolken, wenn sie davon erfahren", meinte Rupp.

Oft erzählten die Betroffenen, dass sich ihr Mann "besonders lieb" gezeigt hätte: Dass hinter scheinbar gut gemeinten Aufforderungen des Täters wie "Nimm dir doch ruhig wieder einmal Zeit für dich selbst und fahr ein paar Tage weg" der Plan steckt, ungestört Zeit mit dem Opfer verbringen zu können, darauf kommen die wenigsten. "Oft sind die Männer auch bemüht, den sexuellen Kontakt mit ihren Ehefrauen aufrecht zu erhalten, um keinen Verdacht zu erregen."

Hinschauen schwierig

Die viel kleinere Gruppe an Ehefrauen und Müttern, die tatsächlich - bewusst oder unbewusst - "wegschauen", hat meist eine entsprechende Vorgeschichte und ist diesbezüglich vorbelastet. Betroffene, die eigene Erlebnisse nie verarbeiten konnten, hätten grundsätzlich ein höheres Risiko, später im Leben wieder an einen Partner zu gelangen, der sie missbräuchlich behandelt. Manche Frauen können also nicht hinsehen, "weil sie das viel zu sehr mit ihrer eigenen Geschichte in Verbindung bringen würde", so die Psychologin. Andere wiederum "nehmen zwar wahr, dass irgendetwas nicht stimmt, sie kommen aber nicht dahinter, was".

"Für die Gesellschaft scheint es nach wie vor schwierig zu sein, hinzusehen und einen möglichen Verdacht anzusprechen", sagte Rupp. "Wohl, weil Missbrauch einem die Luft nimmt und die Vorstellungskraft übersteigt." Dabei sei die Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchsfalls im eigenen nahen Umfeld "viel höher als einen Lotto-Sechser zu machen". Weil Menschen solche Grausamkeiten nur schwer nachvollziehen können und um Erklärungen ringen, wird oft zumindest eine gewisse Mitschuld auch bei anderen Personen als dem Täter selbst gesucht, eben z. B. bei Angehörigen, die vermutlich weggesehen haben werden, warnte die Psychologin.

Therapieerfolg hängt von Täter ab

Für die Täter gebe es ausgefeilte Therapiekonzepte, so Rupp. Der Großteil erhält bereits während der Haft entsprechende Betreuung, die dann nach der Entlassung weitergeführt wird. Studien zeigen, dass derartige Therapien erfolgreich sind - wie sehr hängt aber vom Täterprofil ab.

"Grundsätzlich sind die Chancen auf Erfolg besser bei innerfamiliärem Missbrauch, wenn es ein einziges Opfer gibt, der Mann sich von Beginn an einsichtig zeigt und grundsätzlich nicht pädophil veranlagt ist", sagte Rupp. Schlechter stünden die Chancen bei außerfamiliärem Missbrauch, wenn es mehrere bzw. Opfer beider Geschlechter gibt und eine pädophile Fixierung vorhanden ist - wenn es sich also um sogenannte "überzeugte Pädophile" handelt, "die aus ihrer inneren Überzeugung heraus sagen, dass das nichts Schlimmes ist".

Solche Straftäter lassen sich meist nicht wirklich auf eine Behandlung ein und sind demnach "fast nicht therapierbar", im Gegensatz z. B. zu einem Familienvater, der "nicht grundsätzlich pädophil ist, sondern eher aus einer Beziehungsnähe zum Kind heraus missbraucht, der aber erwischt wird und geständig sowie therapiebereit ist", erläuterte die Psychologin. In einem solchen Fall stehe die Prognose gut und es bleibe oft beim Einzelfall. "Das primäre Problem sind ja nicht Täter, die bereits einmal geschnappt worden sind, sondern die anderen."

Eckpfeiler: Verantwortung eingestehen

"Zu den vier wesentlichen Eckpfeilern der Tätertherapie gehören zuallererst das Eingestehen der Tat und dann die Übernahme der Verantwortung", sagte Rupp. Denn in der Regel würden Täter dazu tendieren, Ausflüchte zu finden wie z. B. die Opfer hätten sie irgendwie verführt, Alkohol oder Arbeitslosigkeit seien schuld. "Es ist Teil der Therapie, vom 'Es ist mir passiert' hin zum 'Ich habe es getan' zu kommen", so die Expertin. "Man hat es ja geplant und vorbereitet."

Als nächster Behandlungsschritt wird an der Opferempathie - dem Einfühlungsvermögen - gearbeitet: "Weil das meist etwas ist, was die Täter nicht haben bzw. nicht können - sonst würden sie ihre Opfer wahrscheinlich nicht missbrauchen", erklärte die Psychologin. Schließlich steht Rückfallsprävention am Programm: "Wie kann man neuerlichen Missbrauch verhindern, welche möglichen Warnsignale kann der Täter bei sich selbst erkennen, wo kann er sich im Bedarfsfall Hilfe holen", nannte Rupp Beispiele. Eindeutige Warnsignale für Missbrauch gibt es weder bei den Opfern noch bei den Tätern - individuell könne man aber versuchen, welche auszumachen.

Strafen wenig abschreckend

Bei der Behandlung eingesetzt werden laut Rupp verschiedenste Techniken wie z. B. Gruppentherapie, Gespräche, Rollenspiele. Die Betreuungsdauer ist je nach Fall unterschiedlich: "Im Schnitt dauert sie aber schon zwei, drei Jahre", sagte die Psychologin. Auf drei bzw. fünf Jahre sind in der Regel auch entsprechende Weisungen vom Gericht ausgestellt.

Strafen scheinen laut der Psychologin übrigens nicht sonderlich abschreckend auf Sexualstraftäter zu wirken: "In dem Augenblick, in dem die Täter die Tat begehen, glauben sie ja nicht, dass sie erwischt werden. Der Wunsch nach angeblicher Lusterfüllung steht im Vordergrund - da denkt keiner an die Strafe."

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

THEMENBILD: KINDERPORNOGRAPHIE
Weltjournal

"Geisterwald": Pädophiler wollte Mädchen töten

Beim Schlag gegen einen Kinderporno-Ring wurde ein Deutscher verhaftet, der ein Mädchen entführen, missbrauchen und töten wollte. In Österreich wurden ein Vorbestrafter und ein Firmenchef angezeigt.
Österreich

Internetsperren gegen Kinderpornos? "Das hilft keinem"

Sollen verbotene Internetinhalte einfach gesperrt werden? Experten halten dies für wirkungslos: Damit würden nur die Symptome des Kindesmissbrauchs bekämpft, nicht die Ursache.
Maus
Österreich

Kinderpornos in Österreich produziert

Erstmals wurden Produzenten von Kinderpornos im Inland festgenommen. Neben einem Wiener agierten in einem einschlägigen Forum auch ein Kärntner und ein Vorarlberger. Sie haben Kinder aus dem Umfeld missbraucht.
Österreich

Erfolge durch internationale Zusammenarbeit

Eine Chronologie.
Welt

Schwerer Kindesmissbrauch: Drei Österreicher verhaftet

Die Männer sollen Aufnahmen von Kindern aus ihrem eigenen familiären Umfeld in einem pädophilen Internetforum angeboten haben. Überführt wurden sie im Rahmen einer internationalen Polizei-Aktion.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.