Integration statt interner Machtkämpfe

Österreicher und Zuwanderer warten: Mit Wegschauen und Kompetenzstreit werden keine Probleme gelöst.

Werner Faymann hat als Bundesparteivorsitzender einer zerbröselnden Kanzlerpartei derzeit mehr als genug Sorgen um die Ohren. In dieser Situation will sich der Regierungschef nicht auch noch mit dem Koalitionspartner ÖVP wegen der Einrichtung eines eigenen Ressorts für die Integration von Ausländern anlegen. Mit einem Ministerium oder einem Staatssekretariat allein ist zwar per se noch keine Verbesserung verbunden. Aber wenn sich diese rot-schwarze Regierung beispielsweise den Luxus von gleich zwei Staatssekretären im Finanzministerium leistet, sollte es nicht wirklich eine Frage sein, ob für das Koordinieren und Vorantreiben von Maßnahmen für Zuwanderer eine politische Funktion mit entsprechenden Kompetenzen geschaffen wird. Die Bewältigung dieser Aufgabe ist nämlich auch ganz im Sinne der Österreicher.

Leider läuft die Diskussion um einen eigenen Integrationszuständigen in der Regierung schon wieder nach typisch österreichischem Muster ab. Der Ruf nach einem eigenen Integrationsstaatssekretariat ist ja keineswegs neu. Bezeichnenderweise dauerten die Debatten genau bis zur Regierungsbildung im vergangenen Spätherbst, da wurden derartige Überlegungen letztlich dann wieder ignoriert. Mit dem Effekt, dass die Innenministerin neben der Kriminalitätsbekämpfung auch weiter für die Einbindung von Zuwanderern in die heimische Gesellschaft zuständig ist.


Die Innenministerin und die ÖVP denken auch gar nicht daran, Macht und Einfluss in diesem Bereich abzugeben. Bei der nächsten Regierungsbildung könne man über diese Frage wieder diskutieren, ließ Maria Fekter am Montag wissen. 2013, also eh schon in vier Jahren, geht dann möglicherweise die ganze Debatte wieder von vorn los. In der Zwischenzeit wird zwar nicht Däumchen gedreht, aber außer mit ein bisschen Folklore bei Road-Shows hat sich das Innenministerium in Sachen Ausländerintegration bisher nicht wirklich hervorgetan. Immerhin: Bis Jahresende soll ein Nationaler Aktionsplan erstellt werden. Nur, bis die Vorschläge umgesetzt sind, das wird noch dauern. Schön pomali heißt es auch bei der SPÖ: Die nimmt sich für ihr Integrationskonzept bis zum Parteitag im Herbst 2010 Zeit.

Dabei sind die Schwierigkeiten rund um den verstärkten Zuzug von Ausländern – von Ghettobildungen und Parallelgesellschaften in bestimmten Wiener Bezirken und anderen Städten bis hin zu den Bildungs- und Deutschdefiziten der Kinder mit Migrationshintergrund – seit fast zwei Jahrzehnten bekannt. Getan wurde viel zu lang zu wenig. Erst in der jüngeren Vergangenheit wurde erkannt, dass die Sprache ein wesentliches Element der Integration ist und verstärkt auf mehr Deutschkurse und die Überprüfung der Sprachkenntnisse vor dem Schulbesuch gesetzt.


Viel zu lange wurde etwa ignoriert, dass viele schlecht ausgebildete Jugendliche aus Zuwandererfamilien, die in wirtschaftlichen Krisenzeiten gar keinen Arbeitsplatz mehr finden, für sozialen Zündstoff sorgen. Dabei besitzen viele längst einen österreichischen Pass, nur ihr Leben spielt sich in eigenen Cliquen und Gangs ab, keine Spur von Integration.

Selbst der Präsident der Arbeiterkammer, der üblicherweise eher mit restriktiven Parolen gegen den Zuzug ausländischer Billigarbeitskräfte von sich hören lässt, überraschte zuletzt mit dem Wunsch nach einem speziellen Integrationsverantwortlichen in der Regierung. Man muss die Welt nicht unbedingt durch die Brille eines SPÖ-Politikers betrachten (die bei dieser Gelegenheit auch Ressortchefin Fekter am Zeug flicken wollen), um zu merken, dass das Innenministerium für Integration nicht die erste Adresse ist. Das ist keine vorrangige Polizeiaufgabe. Viel besser wäre eine saubere Trennung: Zuwanderung und Integration könnte Wirtschafts- und Familienstaatssekretärin Christine Marek übernehmen. Die Innenministerin hat mit der Kriminalitätsbekämpfung genug zu tun.

Wie stark ausgeprägt ist der politische Überlebenstrieb der Koalition? Wenn er einigermaßen funktioniert, müssen SPÖ und ÖVP in Sachen Integration endlich munter werden. Bisher hat vor allem die SPÖ zugeschaut, wie ihr Straches FPÖ wegen des Verschlafens von Konzepten locker frustrierte Wähler weggeschnappt hat. Untätigkeit und Wegschauen sind politische Todsünden. Machtkämpfe um Kompetenzen in der Regierung sind nur ein unnötiger Zeitvertreib. Der Bevölkerung, Österreichern wie Zuwanderern, ist damit nicht gedient.

Debatte um Integration Seite 2

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2009)

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