Das Duell zwischen Tabellenführer Bayern München und dem Verfolger aus Leipzig elektrisiert die deutsche Bundesliga. Es geht um Prestige – und um die Winterkrone.
München/Wien. Irgendwann musste sie gestellt werden, diese Frage, der Vergleich wurde in den vergangenen Wochen schließlich immer zulässiger. Ein italienischer Reporter wähnte bei der Leipzig-Pressekonferenz vor dem Spitzenspiel am Mittwoch gegen Bayern München (20 Uhr, live Sky) den richtigen Moment gekommen, wollte von Sportdirektor Ralf Rangnick und Trainer Ralph Hasenhüttl wissen, ob die Leipziger es wie Leicester in der vergangenen Premier–League-Saison machen könnten. In Deutschland, meinte Hasenhüttl, sei das vielleicht noch eine Spur schwieriger. „Vor dem FC Bayern zu stehen, da musst du eine perfekte Saison spielen und hoffen, dass Bayern keine perfekte Saison spielt.“ Bislang trifft beides zu.
Denn in Sachsen schwebt man seit Saisonbeginn auf Wolke sieben. Elf Siege, drei Unentschieden, nur eine Niederlage – vor dem 16. Spieltag ist Rasen-Ballsport der beste Aufsteiger aller Zeiten, selbst die Bilanz bei Kaiserslauterns meisterlichem Erfolgslauf 1997/98 wurde um drei Tore übertroffen. „2016 war sportlich grandios, es hätte besser nicht sein können“, sagte Rangnick, der im Sommer das Traineramt zurücklegte, fortan nur noch eingleisig fuhr und heute für die Verpflichtung von Hasenhüttl gefeiert wird. Hasenhüttl wiederum wird ob seiner Idee des Fußballs und deren Umsetzung deutschlandweit gehypt. Das forsche, überfallsartige, strikt auf den Endzweck ausgerichtete Spiel der Leipziger fasziniert, mit jedem Tor und Sieg wuchs das Selbstvertrauen. Das Phänomen Leicester City hat den Glauben an Sensationen bei Spielern, Funktionären und Fans gestärkt. Es scheint also nur logisch und nachvollziehbar, dass nicht wenige Beobachter der Szene damit spekulieren, Leipzig könnte das neue Leicester werden.
Ein Spiel mit Potenzial zum Klassiker
Bayern München wusste seit geraumer Zeit, dass dieser Tag kommen würde. Der Tag, an dem Leipzig zu einem seriösen Rivalen werden würde. Einzig, mit der Rasanz hat man beim Branchenprimus nicht gerechnet. „Jeder war über die bisherige Saison von Leipzig überrascht“, sagte Bayern-Coach Carlo Ancelotti bei der Pressekonferenz Dienstagmittag in München. Der Italiener, ein ausgewiesener Fachmann, genießt an der Säbener Straße nicht das Standing von Hasenhüttl in Leipzig – teilweise matte Vorstellungen, vier Bundesligaspiele ohne Sieg und das Verpassen von Platz eins in der Champions-League-Gruppenphase entsprechen eben nicht den Vorstellungen. Dennoch, Zweifel an seiner Zukunft bei den Bayern möchte der 57-Jährige aus Reggiolo keine aufkommen lassen, darauf legt er Wert. „Ich bin mir sicher, dass wir noch besser spielen können. Das werden wir nächstes Jahr auch zeigen.“
Dabei wären die Münchner gut beraten, sich schon am Mittwoch zu steigern. Mit Leipzig gastiert der gegenwärtig und womöglich auch zukünftig größte nationale Widersacher in der Allianz-Arena. Fakt ist: RB ist der neue Lieblingsfeind. Der Respekt vor dem ersten direkten Duell ist durchaus groß, Angst jedoch wäre unangebracht und würde so gar nicht zum sonst so selbstbewussten Auftreten des FC Bayern passen. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge stellte für alle unmissverständlich klar: „Wer gegen den FC Barcelona, Real Madrid, Manchester United und was weiß ich wen noch alles gespielt hat, der ist auch für Rasen-Ballsport bereit.“
In der Vergangenheit bediente sich Bayern in den Transferzeiten gern des Mittels der Schwächung eines direkten Konkurrenten. Beim millionenschweren Konzernklub aus Leipzig könnte sich dieses Unterfangen als etwas komplizierter erweisen. Präsident Uli Hoeneß jedenfalls fühlte schon einmal vor: „Wenn wir irgendwann einmal einen deutschsprachigen Trainer suchen sollten, gehört Ralph Hasenhüttl mit Sicherheit zu den drei Kandidaten, über die man nachdenken muss.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2016)