Burn-Out: Tabuisieren ist Tabu

(c) AP (Francis Specker)
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Die Auswirkungen dieser Krankheit sind für Betroffene wie für Betriebe enorm. Die erfreuliche Nachricht: Betriebliche Präventionsmaßnahmen tragen Früchte, wie nun auch eine Studie belegt.

„Es ist, als ob ständig der Motor überdreht, man aber nicht in den nächsten Gang schalten kann“, beschreibt der 38-jährige Salesmanager K. (Name der Redaktion bekannt) sein Burn-out-Leiden. Seit drei Monaten ist der ehemalige Topverkäufer aufgrund eines Überlastungssyndroms krankgeschrieben. Mit durchaus klassischen Symptomen: nach einer Beförderung verstärkter Einsatz und krisenbedingter Dauerstress, Vernachlässigung privater Bedürfnisse und sozialer Kontakte, Verspannungen, häufige Infekte. Bis er nach einem Zusammenbruch – „ich dachte, ich hätte einen Herzinfarkt“ – im Krankenhaus landete. Da keine körperlichen Ursachen gefunden wurden, folgte ein regelrechter Spießrutenlauf von Arzt zu Arzt: „Man konnte mir einfach nicht sagen, was mir fehlte und zum Teil wurde ich gar nicht ernst genommen, sondern lediglich mit Medikamenten ruhig gestellt.“ Über das Internet stieß er schließlich auf ein privates, auf Burn-out spezialisiertes Institut und die lang ersehnte Erklärung seines Zustandes. Seither ist er mittels psychotherapeutischer Behandlung und alternativer Heilmethoden auf dem Weg der Besserung. „An Arbeit kann ich aber noch nicht denken.“ Bereits an völliger Erschöpfung (sieh Abb. Stadium 12) litt die 43-jährige Grafikdesignerin M. (Name der Redaktion bekannt), die nach „einem Zusammenspiel von mehreren Faktoren von einem Moment auf den anderen völlig arbeitsunfähig“ wurde. Zwei Jahre zuvor war sie durch einen Schicksalsschlag zur Alleinerzieherin geworden – danach geriet sie langsam, aber immer tiefer in die Burn-out-Spirale. Existenzängste und der wachsende Perfektionsdrang führten dazu, dass die Art Directorin einer Handelsfirma nur noch für den Job lebte, selbst an freien Tagen Arbeit mit nach Hause nahm. Das Aus, wie sie es heute beschreibt, kam nach einem Migräneanfall: „Ich war wie gelähmt und habe dann vier Wochen durchgeweint.“ Die totale Erschöpfung besserte sich erst nach einer achtwöchigen Therapie an einer psychosomatischen Ambulanz, besonders die alternative Heilmethode Cranio-Sacral- Osteopathie konnte ihren Energielevel wieder heben. An den Arbeitsplatz kehrte sie nie wieder zurück, sondern machte sich nach einer halbjährigen Erholungsphase selbstständig. „Schuld ist niemand daran, nur die Einstellung, die man zu etwas hat. Heute bin ich für diese Krankheit dankbar, sonst wäre ich ewig nur eine Getriebene geblieben.“

Erschöpfungssymptome nehmen zu

Einzelfälle oder ein Phänomen, das in Krisenzeiten noch zunimmt?
„In unserer Leistungsgesellschaft sind Stadien bis Stufe 4 oder 5 fast schon legitimiert. Und wenn es krisenbedingt mehr Arbeit für weniger Menschen gibt, nehmen Erschöpfungssymptome zu“, sagt Lisa Tomaschek-Habrina, Leiterin des Instituts IBOS für Burn-out und Stressmanagment. „Ein Glück ist nur, dass sich das Tabu Burnout langsam lüftet, es ist so wichtig, offen darüber zu reden!“ Laut einer Studie des Beratungsnetzwerks Business Doctors sind rund 18 Prozent der befragten Arbeitnehmer stark oder sehr stark Burn-out-gefährdet. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung Österreichs hieße dies, dass rund eine Million Menschen dringend Hilfe benötigen. höher ist der Anteil Burn-out-gefährdeter Arbeitnehmer in Großbetrieben, glaubt man einer aktuellen Studie des IBG (Institut für humanökologische Gesundheitsförderung) gefördert vom Fonds Gesundes Österreich (Studie und Präventionsleitfaden inkl. Anlaufstellen: www. fgoe.org). Demnach verzeichnet fast ein Viertel der Befragten bereits Burn-out-Symptome. Studienautorin Theresia Gabriel, Leitung IBGGesundheitsförderung und freiberufliche Psychotherapeutin: „Auffällig dabei ist, dass Führungskräfte ein um rund sechs Prozent niedrigeres Burn-out-Risiko als Mitarbeitende aufweisen, das höchste Risiko zeigt sich bei Schichtarbeitern, hier haben bereits 67 Prozent Symptome.“

Welche Rolle spielt das lange (fälschlich) als Managerkrankheit bezeichnete Syndrom als Thema in der Führungsarbeit?
„75 Prozent der subjektiv hoch Gefährdeten erleben von ihren direkten Vorgesetzten keine Unterstützung in der Stressverarbeitung. Vor allem Führungskräfte der unteren Ebenen zeigen sich für Burn-out-Prävention nicht zuständig. Besonders die Unterstützung bei der Erholung, also bei Überstundenabbau, Pausen und Urlaub, wird leider so gut wie nie als Führungsaufgabe gesehen.“ Erfreulich sei hingegen, dass es weniger Betroffene gibt, wenn mehr vorgesorgt wird. Angebote mit dem Fokus auf psychische Gesundheit – von Einzelcoachings, Motivationsförderung durch Anerkennung bis zu Gesundheits- oder Stresszirkeln– zeigten laut Studie große Wirkung: „Hier kommt die Unternehmenskultur ins Spiel. Auch ungeschriebene Gesetze, wonach Mitarbeiter etwa nicht mehr als zwei Wochen Urlaub machen dürfen, haben eine Auswirkung.“
Wie kann individuelle Prävention aussehen? Tomaschek-Habrina: „Wir sind alle zu schnell unterwegs und machen zu viele Dinge gleichzeitig. Gefragt ist Entschleunigung und das Wahrnehmen von Anfang und Ende. Wir müssen wieder lernen, die Ernte einzufahren.“ Wichtig seien auch regelmäßige Pausen: „Nach eineinhalb Stunden ist die Luft draußen, daran könnte man sich auch durch einen Handyweckruf erinnern lassen.“
Übrigens kann man auch durch Unterforderung („Boreout“) ausbrennen, so Gabriel: „Es kann ebenso ein Stressor sein, wenn das Brennenwollen verunmöglicht wird.“

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