Nachdem die Beamten etwa 1000 Nordafrikaner angehalten haben, um sexuelle Übergriffe wie im Vorjahr zu verhindern, steht der Vorwurf des „Racial Profiling“ im Raum.
Berlin/Köln. Silvester 2016 in Köln: Als zwischen 21 und 22 Uhr einige Hundert mutmaßlich nordafrikanische Männer am Hauptbahnhof ankommen, fordert Polizeipräsident Jürgen Mathies weitere 200 Beamte an. 1500 Polizisten sind bereits in der Innenstadt unterwegs. An den Bahnhöfen und in den Zügen werden sie von der Bundespolizei unterstützt. Insgesamt sind zehnmal mehr Beamte im Einsatz als zu Silvester 2015. Die Männer, wird Mathies hinterher sagen, seien hochaggressiv gewesen – wie im Vorjahr, als es in Köln zu massiven sexuellen Übergriffen auf Frauen kam. Dieses Mal will die Polizei nichts riskieren. Die Verdächtigen werden aus dem Bahnhofsgelände geleitet und eingekesselt. Auch auf der anderen Rheinseite, am Bahnhof Deutz, werden 300 Männer aus Zügen geholt. Es sind einige Syrer und Afghanen darunter, doch die meisten kommen aus Marokko, Tunesien und Algerien.
Polizei entschuldigt sich für „Nafri“
„Durch „konsequentes Einschreiten“ seien ähnliche Straftaten wie im Vorjahr verhindert worden, teilte die Polizei am Neujahrstag der Öffentlichkeit mit. Allerdings steht nun der Vorwurf des „Racial Profiling“ im Raum. Damit sind Personenkontrollen gemeint, die sich auf die (vermutete) Herkunft stützen. Es stelle sich die Frage der Rechtmäßigkeit, „wenn insgesamt 1000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt werden“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter am Montag. Ähnlich kritisch äußerte sich Amnesty International.
Mathies verteidigte das Vorgehen der Polizei: „Es ist nun mal so, dass gerade aus den Erfahrungen der vergangenen Silvesternacht, aus Erfahrungen, die wir durch Razzien gewonnen haben, ein klarer Eindruck entstanden ist, welche Personen zu überprüfen sind.“ Das seien eben „keine grauhaarigen älteren Männer oder blonde junge Frauen“.
In einem anderen Punkt gab der Polizeipräsident den Kritikern ein Stück weit recht: Er bedaure, dass Nordafrikaner als „Nafris“ bezeichnet wurden, so Mathies im WDR. „Den Begriff finde ich sehr unglücklich verwendet.“ Normalerweise würde er nur intern gebraucht. Am Silvesterabend hatte die Kölner Polizei getwittert: „Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen.“ Der SPD-Politiker Christopher Lauer nannte das „in hohem Maße entmenschlichend“. Die CSU dagegen nahm die Polizei in Schutz: Das Vorgehen gegen Menschen nordafrikanischer Herkunft habe „nichts mit Diskriminierung zu tun“, sagte Innenexperte Stephan Mayer dem ZDF. Die Beamten hätten sexuelle Übergriffe wie im Vorjahr verhindert.
Auch damals stand die Polizei in der Kritik – wenn auch aus einem anderen Grund. Ein Untersuchungsausschuss kam mittlerweile zu dem Schluss, dass zu Silvester 2015 viel zu wenige Beamte bereitgestellt worden waren. Und dass es gravierende Fehler in der Kommunikation gab. Daraus zog nicht nur Köln seine Lehren. Eine stärkere Polizeipräsenz gab es dieses Mal auch in anderen deutschen Großstädten, etwa in Essen, Dortmund und Gelsenkirchen. Der Terroranschlag von Berlin hatte die Behörden zusätzlich alarmiert. Am Neujahrstag hieß es dann: Der Jahreswechsel sei in Deutschland „weitgehend friedlich“ über die Bühne gegangen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2017)