„Mitterlehner ist das regierende Trumpf-Ass“

Josef Pühringer
Josef Pühringer(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) hält eine Generalabgrenzung zur FPÖ für unmöglich. In Oberösterreich spiele nicht die FPÖ, sondern die ÖVP die erste Geige.

Die Presse: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner will die ÖVP stärker von der FPÖ abgrenzen. Klubobmann Reinhold Lopatka hält das für überflüssig. Wer verfolgt den richtigen Kurs?

Josef Pühringer: Die Wählerstimmen kann man nur von dort zurückgewinnen, wo man sie verloren hat: also von der FPÖ. Deshalb muss hier die deutlichste Abgrenzung passieren.

In puncto Flüchtlingspolitik hat die ÖVP die Wähler wohl nicht wegen einer fehlenden Abgrenzung zur FPÖ verloren, sondern, weil man anfänglich zu wenig harte Positionen vertreten hat.

Es kann natürlich keine Generalabgrenzung zur FPÖ geben. Das muss man von Thema zu Thema differenziert sehen. Ich muss zu gesellschaftspolitisch wichtigen Positionen eine prononcierte ÖVP-Meinung sichtbar machen – und das ist manchmal gegen die eine Partei und manchmal gegen eine andere.

In der Flüchtlingspolitik sollte man sich also nicht von der FPÖ abgrenzen?

Wer zu uns kommt und einen Bescheid bekommt, der muss sich integrieren. Wir müssen dafür sorgen, dass er sich integrieren kann. Parallelgesellschaften sind auf alle Fälle zu verhindern. Da sind wir womöglich der FPÖ näher als der SPÖ.

Wo ist die prononcierte ÖVP-Meinung derzeit noch nicht genügend sichtbar?

Wenn der Bundeskanzler von einer Maschinensteuer spricht, dann kann eine Wirtschaftspartei wie die ÖVP nur eine Abgrenzung vornehmen. Gleiches gilt, wenn die FPÖ die EU infrage stellt. Denn die Zukunft liegt nicht im Nationalen und im Separatismus.

Gibt es angesichts dessen überhaupt eine Möglichkeit für eine schwarz-blaue oder eine blau-schwarze Koalition im Bund?

Die Positionen verändern sich im Lauf der Zeit. Und derzeit stellt sich die Frage nicht.

Sie könnte sich nach vorgezogenen Neuwahlen stellen.

Ich werde keine Lieblingskoalitionsvarianten nennen. In der derzeitigen Situation kann es nur heißen: Die gesamten fünf Jahre nutzen, um Ergebnisse vorzulegen. Nur dann hat die FPÖ, die ja aufgrund des Frusts der Menschen groß geworden ist, wenig Chance.

Glauben Sie tatsächlich, dass der reguläre Wahltermin im Herbst 2018 eingehalten wird?

Wenn ich mir die Umfragen ansehe, gibt es einen eindeutig Ersten, den ich nicht als Ersten haben will. Die Regierungsparteien würden von einer Neuwahl womöglich verkleinert herausgehen, daher frage ich mich: Was ist das Attraktive an Neuwahlen für die ÖVP?

Es könnte sein, dass es in zwei Jahren für die ÖVP noch schlechter ausschaut.

Das will ich mir nicht vorstellen.

Als mit Christian Kern (SPÖ) ein neuer Kanzler kam, sprachen Sie von einer letzten Chancen für die Bundesregierung. Hat sie diese Chance genützt?

Ja, aber noch nicht ausreichend. Der berühmte New Deal ist noch nicht sichtbar geworden. Ich habe aber den Eindruck, dass in letzter Zeit das Gemeinsame weit stärker vor das Trennende gestellt wird.

Ist Christian Kern ein besserer Kanzler als Werner Faymann?

Ich war in meinem Leben schon einmal Lehrer, ich habe keine Lust, noch einmal Noten zu verteilen.

Was erwarten Sie von der ÖVP-Vorstandssitzung am Sonntag?

Ich erwarte mir, dass wir den Start ins neue Jahr besprechen werden, wie wir uns 2017 aufstellen. Ich erwarte mir keine Personalentscheidungen. Obwohl personelle Wechsel genauso zum Leben in einer Demokratie gehören wie Stabilität.

Besonders oft gibt es Personalwechsel ja an der ÖVP-Spitze. Wann wird Sebastian Kurz die Partei übernehmen?

Wir haben einen starken Obmann mit Reinhold Mitterlehner. Die Frage stellt sich derzeit also nicht.

Sebastian Kurz wird ÖVP-intern als Trumpf-Ass bezeichnet. Welche Karte ist Mitterlehner?

Er ist genauso ein Trumpf-Ass, und zwar das regierende.

Trumpf-Ass gibt es meines Wissens beim Schnapsen nur eines.

Das ist richtig. Aber die Politik ist eben nicht Schnapsen.

Manfred Haimbuchner, Oberösterreichs FPÖ-Chef, hat gesagt, dass die schwarz-blaue Koalition in Oberösterreich quasi wie ein Orchester funktioniere. Man hat aber den Eindruck, dass die FPÖ dabei die erste Geige spielt.

Die erste Geige und den Dirigenten stellt die ÖVP in diesem Orchester.

Bei der Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte, bei der Deutschpflicht auf dem Pausenhof und bei dem Wertekodex für Schulen drängt sich einem aber ein anderer Eindruck auf.

Vieles davon kommt vom Landeshauptmannstellvertreter Thomas Stelzer von der ÖVP und nicht von den Freiheitlichen. Und ich bitte, die Landespolitik in Oberösterreich nicht auf die Flüchtlingspolitik zu verkürzen. Da geht es um die Weiterentwicklung des Standorts etc. Das sind wesentlich entscheidendere Dinge als etwa die Frage der Kürzung der Mindestsicherung.

Kann es sein, dass die ÖVP hier auf die zur FPÖ gewechselten Wähler geschielt hat?

Im Vordergrund steht die Sachpolitik. Aber natürlich gibt es immer parteipolitisch-strategische Überlegungen. Wer das bestreitet, lügt.

Der Landeschef Tirols, Günther Platter, sieht für eine bundesweite Lösung bei der Mindestsicherung noch eine Chance. Und Sie?

Auch ich sehe sie durchaus, wenn man einige Dinge bundeseinheitlich regelt – zum Beispiel bei der Höhe der Mindestsicherung eine Unter- bzw. Obergrenze fixiert und den Ländern einen Spielraum lässt.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie mir verraten, wann Sie als Landeschef abtreten?

Die Wahrscheinlichkeit ist gleich null. Ich kenne mein biologisches Alter und habe erklärt, dass ich nicht die volle Periode machen werde. Dabei bleibt es.

Kennen Sie den Zeitpunkt selbst?

Es gibt mehrere Varianten.

Und der 2. März, an dem Sie Ihr 22-Jahr-Amtsjubiläum feiern, ist eine Variante davon?

Dieser Termin ist es nicht. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.

Mit Stelzer haben Sie einen Nachfolger in Aussicht. Ist das fix?

Hundertprozentig fix ist es dann, wenn es der Parteivorstand beschlossen hat, aber ich zweifle nicht daran, dass er es beschließen wird.

Ihr Amtskollege Erwin Pröll (ÖVP) ist drei Jahre älter als Sie. Er könnte sich aber noch einmal der Wahl stellen. Wäre es nicht Zeit für eine Hofübergabe?

Ich gebe keine Ratschläge. Erwin Pröll weiß, was er zu tun hat, und der Josef Pühringer weiß es auch.

ZUR PERSON

Josef Pühringer (67) begann seine politische Karriere 1973 als Stadtrat in Traun. 1979 zog er in den oberösterreichischen Landtag ein, 1987 in die Landesregierung. 1995 wurde Pühringer Landeshauptmann von Oberösterreich. Pühringer ist verheiratet und hat mit seiner Frau drei Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2017)

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