Der Vizekanzler pocht auf eine Reduktion der Asylanträge auf maximal 17.500 - und will das mit Kanzler Kern "gemeinsam in ganz Europa vertreten".
Einen Tag nachdem Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in Wels eine Rede gehalten und seinen „Plan A“ für Österreich vorgestellt hat, nützte auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner den Abschluss der Klubklausur seiner ÖVP im steirischen Pöllauberg, um eine Ansprache zu halten. Der Tenor: „Wir gehen die Fragen der Zukunft an – frei, selbstbestimmt, verantwortungsbewusst, kreativ.“
Zunächst stimmte Klubchef Reinhold Lopatka die Partei mit einer Spitze gegen den Kanzler ein: „Andere halten Reden, wir handeln.“ Die ÖVP sei eine mutige Partei, sie stehe ein für Reformen und wolle, dass „Österreich kein Land mit mehr Schulden als Chancen“ ist, betonte Lopatka. Das bedeute: „Mit uns gibt es keine neuen Steuern und Belastungen.“
"Politik ist nicht Bedienung nach Wünsch-dir-was-Muster"
Auch Mitterlehner übte Kritik an der Kern-Rede. So habe der SPÖ-Chef das Thema Pensionen mit keinem Wort erwähnt. Schon bei der Titelseite von Kerns 145-seitigen Katalogs sei er stutzig geworden, auf der ein Programm für „Wohlstand, Sicherheit und gute Laune“ angekündigt wird. Das erwecke, so Mitterlehner, den Eindruck, die Politik sei eine „Bedienung nach einem Wünsch-dir-was-Muster“. Tatsächlich aber könne der Staat keine Arbeitsplätze schaffen, sondern nur die Bedingungen, die Arbeit ermöglichen – und genau das wolle die ÖVP tun, mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit, einer Mobilitätsprämie oder einem Kombilohn, wiederhole er schon bekannte Positionen. Auch das rund 40 Jahre alte Arbeitnehmerschutzgeschäft gehöre an die Jetztzeit angepasst. Und: „Wir wollen die Steuer- und Abgabenquote senken“, betonte der Parteiobmann. Das bedeute, wer die ÖVP wähle, wähle weniger Steuern, wer für „die andere Partei“ stimme, „der erntet mehr Steuern“.
Dennoch finde man unter Kerns Inhalten „sehr viel an durchaus neuen Ansätzen", so werde man etwa die genannten Punkte auch „gerne aufgreifen", erklärte Mitterlehner. Aber man müsse genauer hinschauen, welche Anschauung und Philosophie dahinter steckt: „Das, was in der Broschüre steht, ist defacto der Plan B, weil wenn man das andere nicht auf Schiene bringt, muss man die Weichen stellen für was anderes und das ist vielleicht ein Wahlprogramm." Eine weitere Breitseite gegen die SPÖ setzte es beim Thema Pensions-Hunderter. Hätte man das Thema anders aufgezogen „und nicht so, dass es der 'Kronenzeitung' in sorgfältiger Recherche gelungen ist, die Idee beim Koalitionspartner zu entdecken", hätte es die Diskussion darüber nicht gegeben. So jedoch habe auch die ÖVP-Seite den Pensions-Hunderter gefordert. Mit diesem Geld hätte man Laptops für viele Schüler oder Stipendien finanzieren können, gab Mitterlehner zu bedenken.
Abschließend ging der ÖVP-Obmann auf das Thema Sicherheit ein. Er wiederholte seine Forderung nach einer Halbierung der derzeit bei 35.000 angesetzten Obergrenze für Asylanträge sowie jene nach einem Gefährder-Tatbestand. Denn: „Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie.“ Kanzler Kern fordere er deswegen dazu auf, mutig zu sein und „sich zu der Reduzierung zu bekennen“ und „das dann gemeinsam in ganz Europa zu vertreten“.
Doskozil gegen "Scheinobergrenze am Papier"
Etwa zeitgleich nahm Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Donnerstag zu dem Thema Obergrenze Stellung. Seine Partei verschließe sich nicht prinzipiell einer Diskussion darüber, teilte er mit, immerhin wolle man Zuwanderung begrenzen. Allerdings zeigte sich Doskozil skeptisch, ob es die ÖVP wirklich ernst meine. „Die Zahl 17.000 ist eine Schein-Obergrenze am Papier“, so Doskozil. Denn, gehe es nach der Volkspartei, sollten ab dem 17.001. alle Migranten trotzdem ins Land gelassen werden. Es könne nicht sein, dass man eine Obergrenze festlege und dann tausende Menschen mehr ins Land lasse, um sie in Lagern einzuquartieren, verwies er auf den Wunsch von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), jene, die über der festgelegten Zahl liegen, in leerstehenden Kasernen unterzubringen.
Es müsse sichergestellt werden, dass Migranten über die Obergrenze hinaus „an der Grenze abgewiesen bzw. bei Aufgriff im Landesinneren sofort zurückgebracht werden“, forderte Doskozil. „Das haben wir der Bevölkerung gesagt und das müssen wir auch einhalten.“
Heinz Patzelt, Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, kritisierte die Vorschläge der ÖVP nach einer Halbierung der Obergrenze, einem partiellen Kopftuchverbot und Fußfesseln für Gefährder indes als „menschenrechtswidrig“ und „rein populistische Sprechblasen“.
(Red./APA)