Mitterlehners Replik auf den Kanzler

ÖVP-Chef Mitterlehner gab sich am Donnerstag angriffig: „Der Staat kann keine Arbeitsplätze schaffen. Der Staat schafft Bedingungen, die Arbeit ermöglichen.“
ÖVP-Chef Mitterlehner gab sich am Donnerstag angriffig: „Der Staat kann keine Arbeitsplätze schaffen. Der Staat schafft Bedingungen, die Arbeit ermöglichen.“ APA/ERWIN SCHERIAU
  • Drucken

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist gesprächsbereit, was einige Ideen Kerns betrifft. Vor allem ist er aber angriffslustig.

Pöllauberg. Er hatte zwar kein Ansteckmikrofon und im Hintergrund lief kein Elvis-Song. Das Publikum saß ihm nur frontal gegenüber, und niemand schenkte ihm ununterbrochen Wasser nach: Aber egal, am Donnerstag bekam auch Reinhold Mitterlehner seine Bühne. Und zwar im steirischen Pöllauberg, als Finale der ÖVP-Klubklausur.

Am Abend zuvor war sein Regierungspartner, SPÖ-Chef Christian Kern, mit viel Inszenierung aufgetreten. Auch Mitterlehner hatte sich seine Ansprache angehört, zusammen mit einigen Parteikollegen. Den einen oder anderen Seitenhieb auf die Vermarktung des Kanzlers konnten sie sich später am Abend nicht verkneifen. Sie wunderten sich aber vor allem, dass der Kanzler zwar fast zwei Stunden gesprochen hatte. Aber die Themen Pensionen und Außenpolitik unerwähnt blieben.

Und so wurde Mitterlehners Rede am Donnerstagvormittag zu einer Replik auf den Kanzler. Mit einem kräftigen Schuss Wahlkampfparolen, aber dann doch stellenweise auch einer verbindlich-versöhnlichen Note. Ganz so, als könne sich Mitterlehner noch nicht ganz entscheiden: Soll er die SPÖ und ihre neuen Pläne nun als Konkurrenz für sich oder doch als Chance für die Regierung sehen? Am Ende tut er wohl beides gleichzeitig.

Gute Laune? Versprechen „irritierend“

Gleich zu Beginn seiner Redezeit greift er daher gleich einmal den Gegner an: „Die einen versuchen, ohne Konzept an die Macht zu kommen.“ Gut, damit meint er die Freiheitlichen, die er öfter für mangelnde Pläne kritisiert. Dann aber kommt auch der Koalitionspartner an die Reihe: „Die anderen wollen es mit 140 Seiten tun.“ Die ÖVP aber „will Wirtschaft mit dem Faktor Arbeit verbinden“ und so die Bevölkerung von sich überzeugen.

Zu Anschauungszwecken hat Mitterlehner besagte Seiten auch mitgebracht – den neuen Punkteplan der SPÖ nämlich. Mitterlehner hält das Titelblatt in die Höhe, liest die Überschrift vor: „Das Programm für Wohlstand, Sicherheit und gute Laune“. Die Überschrift sei für ihn einigermaßen „irritierend“. Gute Laune verbreiten, das solle die Aufgabe der Politik sein? Das sei „Bedienung nach einem ,Wünsch Dir was‘-Muster.“

Was er damit meint? Man könnte es mit „mehr privat, weniger Staat“ zusammenfassen. In der Politik würde man (man kann sich ungefähr vorstellen, wer damit gemeint ist) den Menschen „vorgaukeln, dass wir vom Anfang bis zum Ende des Lebens alle Probleme lösen.“ Daraus entstehe eine Erwartungshaltung, die man nicht erfüllen könne. Auch bei der Arbeitslosigkeit. „Der Staat kann keine Arbeitsplätze schaffen“, ruft Mitterlehner. „Der Staat schafft Bedingungen, die Arbeit ermöglichen.“ Und apropos weniger Staat: „Wer uns wählt, wählt weniger Steuern. Wer die andere Partei wählt, der erntet mehr Steuern“, richtet Mitterlehner noch der Bevölkerung aus.

Aber es gab am Donnerstag auch durchaus Stellen, an denen der ÖVP-Chef Gespräche mit dem Koalitionspartner in Aussicht stellte: Vor allem bei der Studienplatzfinanzierung könne er sich eine rasche Einigung vorstellen. Verhandeln könne man auch über das Mehrheitswahlrecht und die Arbeitsflexibilität. Aber: Mitterlehner sei noch nicht ganz klar, welche „Philosophie und Auswirkungen“ Kern im Detail vorschweben.

„Kanzler soll sich dazu bekennen“

Dafür erinnerte Mitterlehner die SPÖ wiederum an seine eigene Forderung: nämlich die Herabsetzung der Obergrenze für Flüchtlinge auf die Hälfte. Statt 35.000 sollen nur noch 17.000 bis 17.500 Asylverfahren in diesem Jahr begonnen werden. „Der Kanzler soll sich dazu bekennen. Und wir müssen diese Linie dann auch in Europa gemeinsam vertreten.“

Eine Antwort bekam Mitterlehner indirekt von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ): Diese Halbierung sei „der falsche Weg“. Vor allem vom Plan des Innenministers, Wolfgang Sobotka, halte er wenig: Dieser hat vorgeschlagen, frei stehende Kasernen als „Wartezonen“ zu nutzen. Sobald die Obergrenze erfüllt sei, sollten neu ankommende Flüchtlinge dort untergebracht werden, bis sie im kommenden Jahr versorgt werden. Doskozil sei dafür, die Menschen direkt an der Grenze zu stoppen. Der Innenminister konterte daraufhin via Austria Presse Agentur: „Das Bundesheer ist nicht in der Lage, die gesamte grüne Grenze Österreichs zu sichern, da bringt es auch nichts, fantasievolle Phrasen zu dreschen.“ Daher habe er diese Wartezonen vorgeschlagen.

Auch Klubchef Reinhold Lopatka gönnte sich übrigens einen kleinen Seitenhieb in Richtung SPÖ: „Andere halten Reden, wir handeln.“ Am Mittwoch und Donnerstag jedenfalls konzentrierten sich beide Parteien eher auf den ersten Teil.

AUF EINEN BLICK

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hielt am Donnerstag zum Finale der ÖVP-Klubklausur im steirischen Pöllauberg eine Rede – die zu einer Antwort auf die Ansprache von Bundeskanzler Christian Kern am Vorabend wurde. Der ÖVP-Chef will von neuen Steuern nichts wissen. Dafür ist er aber bei den Themen Studienplatzfinanzierung, Wahlrechtsreform und Arbeitszeitflexibilität gesprächsbereit. Und er fordert erneut eine Herabsetzung der Obergrenze bei Flüchtlingen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hungarian soldiers walk along the border fence between Hungary and Croatia
Innenpolitik

Abschiebung: Nach Kroatien – und wieder zurück?

Eine Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hilft Personen, die über die Balkanroute kamen – aber nicht allen.
 Wolfgang Taucher, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl
Innenpolitik

Asylamt setzt Fokus auf Afghanistan

Weniger Asylanträge, mehr Entscheidungen – aber noch immer ein Problem mit Rückführungen und Abschiebungen. Österreichs Asylbehörde zieht über das Jahr 2016 Bilanz.
SPÖ-Minister Hans Peter Doskozil: Allein in den ersten beiden Wochen des Jahres 2017 1249 Aufgriffe.
Innenpolitik

Doskozil für neue Grenzkontrollen

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil legt einen Plan zur Reduktion der Flüchtlingszahlen vor: Die Grenze zur Slowakei soll kontrolliert werden. Züge sollen auch von Soldaten überwacht werden.
Containerdorf für Flüchtlinge
Innenpolitik

"Massives Sicherheitsrisiko": SPÖ warnt vor Containerdörfern

Verteidigungsminister Doskozil will zwar die Flüchtlingszahlen reduzieren, Container als Wartezonen zu errichten, wie von der ÖVP vorgeschlagen, lehnt er aber ab.
Bei Claudia Reiterer ''Im Zentrum'' diskutieren: Peter Kaiser, Heinz Christian Strache, Reinhold Mitterlehner und Margit Schratzenstaller
Innenpolitik

"Irrsinnig schwer umzusetzen": Mitterlehner erteilt Kern Abfuhren

Der Vizekanzler kritisiert zahlreiche Punkte von Kanzler Kerns "Plan A" und besteht auf der Reduktion der Asyl-Obergrenze. Mit dem Wort Neustart kann er "mich nicht mehr anfreunden".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.