Kurz' OSZE-Vorsitz der kleinen Ziele

STÄNDIGER RAT DER OSZE: KURZ (OeVP)
STÄNDIGER RAT DER OSZE: KURZ (OeVP)APA/HELMUT FOHRINGER
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Österreich will Konflikte entschärfen und Know-how im Kampf gegen den Terrorismus bündeln.

Wien. In einer Zeit, da es um die Ost-West-Beziehungen schlecht wie noch nie steht, scheint selbst das Wort Konfliktlösung zu groß. Österreich setze sich für die „Entschärfung bestehender Konflikte“ ein und wolle zu einer „Verbesserung der Situation“ beitragen, sagte Außenminister Sebastian Kurz bei seiner Antrittsrede anlässlich des österreichischen Vorsitzes der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Hatte sein Vorgänger, der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, im Jänner 2016 noch nach einem gemeinsamen Kompass für geopolitisch „stürmische Zeiten“ gesucht, verzichtete Kurz auf wortreiche Metaphern. Er geißelte lediglich das wiedererwachte „Blockdenken“, dessen Platz in den Geschichtsbüchern sei, vermied es aber, explizit einen Verursacher der aktuellen Krise zu benennen. Die russische Annexion der Krim erwähnte er mit keinem Wort.

Neben der Entschärfung von Konflikten will der österreichische Vorsitz das beschädigte Vertrauen zwischen den 57 OSZE-Staaten wieder aufbauen. Der dritte Schwerpunkt Wiens ist der Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus. Eine neue Agenda für die OSZE, ein Punkt, mit dem Kurz überraschen konnte – und ein Thema, bei dem es durchaus gemeinsame Interessen zwischen Ost und West gibt. Der renommierte Extremismusforscher Peter R. Neumann ist als Sonderbeauftragter für den Kampf gegen Radikalisierung im Einsatz. Er will in der zweiten Jahreshälfte einen Bericht über Vorzeigeprojekte im Bereich Deradikalisierung sowie Handlungsanleitungen für Regierungen vorlegen. Seine Nominierung dürfte der OSZE zu mehr Präsenz verhelfen – bekanntlich ein Dauerproblem der Organisation.

Der Goodwill der Teilnehmer

Abseits medialer Coups ist die große Frage: Kann Österreich in diesem schwierigen Umfeld Inhalte auf den Weg bringen? Seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise hat die OSZE zwar an Relevanz gewonnen, sie ist aber auch extrem uneinig. Die Organisation ist so stark wie der Goodwill ihrer Teilnehmer, und an ihm hapert es. Trotz großer Anstrengung des deutschen Vorsitzes, an den als Teil des Normandie-Formats zur Lösung des Ukraine-Konflikts (außer Berlin nehmen Frankreich, Russland und die Ukraine teil) hohe Erwartungen gestellt worden waren, gab es im Friedensprozess kaum Fortschritte. Vielleicht ist es da realistisch, nicht allzu Großes zu wollen, wie etwa besseren Zugang für die unbewaffneten Beobachter und eine bessere Ausrüstung – alles Punkte, die Kurz gestern erwähnt hat. Während es heute als Erfolg gilt, alle Konfliktparteien am Tisch zu behalten, ist gleichzeitig das Risiko groß, bloß die Rolle des Konfliktverwalters zu spielen.

„Jung und ehrgeizig genug, sich an Steinmeiers Ambitionen zu messen“ nannte „Die Welt“ den österreichischen Außenminister unlängst. In Sachen medialer Inszenierung übertraf er Steinmeier bereits kurz nach der Vorsitzübergabe. Was der Deutsche erst im September wagte, einen Besuch im ostukrainischen Konfliktgebiet, unternahm Kurz in den ersten Jännertagen. Er ließ sich in Splitterschutzweste vor Kriegsruinen fotografieren und produzierte starke Bilder. Der Frontbesuch sorgte für Aufsehen in Diplomatenkreisen. US-Botschafter Daniel Baer sprach von einer „passenden“ Visite, mit der Österreich sein Bestreben für eine friedliche Konfliktlösung demonstriere. Kritiker monieren, dass Kurz sich seinen Auftritt für den Fall einer Eskalation hätte aufsparen sollen. Wie wolle er künftig noch Druck ausüben?

Einer der ersten Punkte auf der Wiener To-do-Liste ist übrigens die Verabschiedung des Jahresbudgets von 144 Millionen Euro. Bei seiner Rede drängte Kurz die Botschafter zu einer raschen Entscheidung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)

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