Doskozil: „Lückenlose Überwachung utopisch“

SICHERHEITSPOLITISCHER JAHRESAUFTAKT 2017: DOSKOZIL (SP�)
SICHERHEITSPOLITISCHER JAHRESAUFTAKT 2017: DOSKOZIL (SP�)(c) APA/HBF/TRIPPOLT (TRIPPOLT)
  • Drucken

Dass das Heer die gesamte grüne Grenze überwache, sei nicht möglich. Trotzdem wehrt sich Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) gegen die neusten Asyl-Pläne der ÖVP.

Die Presse: Herr Minister, Sie befinden sich in einer für Sie unüblichen Lage. Sie müssen einen Vorschlag zu einer strikteren Asyllinie ablehnen, weil er Ihnen zu weit geht: Die ÖVP will die Obergrenze halbieren, Sie nicht.

Hans Peter Doskozil: Das ist ein Trugschluss. Zur Erklärung: Wir haben im Vorjahr eine Obergrenze beschlossen. 2016 waren es 37.500 Asylverfahren, 2017 sind es 35.000. Wenn man diese Zahlen mit jenen aus anderen Ländern vergleicht und die Integrationsfähigkeit mitbedenkt, erscheinen sie zwar sehr hoch. Man kann daher über die Reduktion der Zuwanderung reden. Aber vor allem darüber, wie wir das bewerkstelligen wollen. Zahlenspielereien bringen nichts. Ich bin für eine ehrliche, faktische Obergrenze.

17.000 Asylverfahren sind also faktisch nicht einhaltbar?

Wir können prinzipiell schon über diese Zahl diskutieren, aber dann müssen wir uns eben fragen: Wie kann man sie einhalten?

. . . und wie?

Die ÖVP fordert jedenfalls 17.000 Asylverfahren. Im selben Atemzug erwähnt sie aber, dass jene Menschen, die nach der Erreichung der Obergrenze kommen, trotzdem ins Land gelassen werden und in Anhaltezentren bei hohen Kosten untergebracht und auf das kommende Jahr warten müssen. Wir würden uns einen riesen Rucksack aufbauen, auch mit Dublin-Fällen. Es wäre eine Schein-Obergrenze, denn tatsächlich hätten wir zehntausende mehr im Land.

Ist es nicht vielmehr so – ob 17.000 oder 35.000 – dass die Regierung noch keinen genauen Plan hat, was bei Erreichung der Obergrenze passieren soll?

Wir hätten schon einen Plan: Erstens sind mittels Notverordnung Rückweisung an der Grenze möglich. Und zweitens müssen wir mit Vehemenz eine europäische Lösung herbeiführen. Ich habe bereits mein Konzept für Verfahrenszentren außerhalb der EU, präsentiert. Wir müssen auch das Problem der Rückführungen endlich angehen. Natürlich geht in der EU alles viel zu langsam. Deshalb haben wir schon im vergangenen Jahr nationale Maßnahmen beschlossen.

Aber wenn es diese europäische Lösung nicht gibt, und die Obergrenze erreicht wird, gibt es de facto keinen Plan, was an den österreichischen Grenzen passiert.

Das Innenministerium wollte die Notverordnung, um die Menschen direkt an der Grenze in das Nachbarland rückzuführen. Sie ist dann anzuwenden und das heißt nicht, über die Hintertür Zehntausende mehr ins Land zu lassen.


Innenminister Sobotka hat ihre Äußerungen zu seinem neuen Vorschlag als „fantasievolle Phrasen“ bezeichnet. Laut ihm muss man Menschen ins Land lassen und Aufhaltezentren schaffen, weil das Heer die grüne Grenze nicht lückenlos überwachen kann.

Auf diese Ebene begebe ich mich nicht. Ich will weder unsere Polizisten noch Soldaten kritisieren. Sonst würde mir auch einiges einfallen.

Was denn?

Das vergessen Sie lieber gleich wieder. Ich kommentiere solche Aussagen einfach nicht. Natürlich ist eine lückenlose Grenzüberwachung utopisch. Daher muss man Aufgriffe im Landesinneren ebenfalls zurückbringen und – noch viel wichtiger – das Thema der EU-Außengrenzsicherung forcieren.


Zu den „Salzburger Nachrichten“ sagten Sie, es war ein Fehler, das Thema innere Sicherheit den Rechten zu überlassen. Auch die SPÖ müsse sich dem Thema annehmen. Ist Ihnen aufgefallen, dass Kanzler Kern es bei seiner Rede kaum angesprochen hatte?

Daraus etwas zu schließen wäre falsch. Ich weiß, dass Christian Kern ein wirklich hohes Sensorium für das Thema hat. Ich glaube, daran waren auch zeitliche Faktoren schuld.


Immerhin hat er fast zwei Stunden gesprochen.

Stimmt, aber auch Pensionen waren kein Thema. Und ich gehe nicht davon aus, dass Pensionen für ihn nicht wichtig sind. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Natürlich müssen wir uns des Themas weiter annehmen und auch unangenehme Punkte ansprechen.


Die ÖVP schlägt ein Kopftuchverbot öffentlichen Dienst vor. Wie stehen Sie dazu?

Warten wir ab, was die Arbeitsgruppe zum Integrationspaket auf den Tisch legt. Ich will dieser Thematik nicht vorgreifen.


Das Thema der religiösen Kopfbedeckungen könnte auch ihr Ressort betreffen: Sikhs und Juden ist es unter gewissen Umständen erlaubt, diese zu tragen.

Wir haben eine klare Regelung: Grundwehrdiener dürfen religiöse Kopfbedeckungen tragen, Berufssoldaten nicht.


Soll es weiterhin so bleiben?

Ja.

AUF EINEN BLICK

Hans Peter Doskozil (SPÖ) ist gegen die Halbierung der Obergrenze, wie es die ÖVP vorgeschlagen hat. Der Verteidigungsminister hält dies für eine Schein-Obergrenze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hungarian soldiers walk along the border fence between Hungary and Croatia
Innenpolitik

Abschiebung: Nach Kroatien – und wieder zurück?

Eine Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hilft Personen, die über die Balkanroute kamen – aber nicht allen.
 Wolfgang Taucher, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl
Innenpolitik

Asylamt setzt Fokus auf Afghanistan

Weniger Asylanträge, mehr Entscheidungen – aber noch immer ein Problem mit Rückführungen und Abschiebungen. Österreichs Asylbehörde zieht über das Jahr 2016 Bilanz.
SPÖ-Minister Hans Peter Doskozil: Allein in den ersten beiden Wochen des Jahres 2017 1249 Aufgriffe.
Innenpolitik

Doskozil für neue Grenzkontrollen

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil legt einen Plan zur Reduktion der Flüchtlingszahlen vor: Die Grenze zur Slowakei soll kontrolliert werden. Züge sollen auch von Soldaten überwacht werden.
Containerdorf für Flüchtlinge
Innenpolitik

"Massives Sicherheitsrisiko": SPÖ warnt vor Containerdörfern

Verteidigungsminister Doskozil will zwar die Flüchtlingszahlen reduzieren, Container als Wartezonen zu errichten, wie von der ÖVP vorgeschlagen, lehnt er aber ab.
Bei Claudia Reiterer ''Im Zentrum'' diskutieren: Peter Kaiser, Heinz Christian Strache, Reinhold Mitterlehner und Margit Schratzenstaller
Innenpolitik

"Irrsinnig schwer umzusetzen": Mitterlehner erteilt Kern Abfuhren

Der Vizekanzler kritisiert zahlreiche Punkte von Kanzler Kerns "Plan A" und besteht auf der Reduktion der Asyl-Obergrenze. Mit dem Wort Neustart kann er "mich nicht mehr anfreunden".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.