Der Frack blüht, „wo er hingehört“: Renaissance eines Kleidungsstücks

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Comedian Harmonists / Fotopostkarte - Comedian Harmonists / Photo / c.1928 -(c) akg-images / picturedesk.com
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Auf dem Philharmonikerball herrschte gestern erstmals Frackzwang. Damit ist der eleganteste aller Herrenanzüge mittlerweile auf drei Bällen Pflicht.

In der „Neuen Freien Presse“ nahm man die Entscheidung vor ziemlich genau hundert Jahren unter dem Titel „Der verbannte Frack“ mit Zustimmung zur Kenntnis. „Der neue Kaiser“, hieß es da am 26. November 1916, habe der „Gewaltherrschaft des Fracks ein jähes Ende bereitet“. Künftig werde man tagsüber „bei Audienzen und hochoffiziellen Gelegenheiten“ tagsüber nicht mehr den Frack, sondern den Gehrock tragen. „Damit ist der Frack dorthin verbannt, wohin er gehört: in die Nacht, zu Festen, Bällen, großen Tafeln.“ Dort, in der Nacht auf den festlichen Bällen, hat der Frack das vergangene Jahrhundert überlebt – um nun unvermutet eine Renaissance zu feiern. Auf dem Philharmonikerball, der gestern, Donnerstag, im Musikverein über die Bühne ging, herrschte erstmals Frackzwang. Es gehe um Eleganz und das Gesamtbild, begründen die Philharmoniker ihre Entscheidung. In den vergangenen Jahren habe man bereits die Eröffnung durch die Debütantenpaare vereinheitlicht; Bundy und Bundy stylt etwa die Frisuren aller Jungdamen mit einem kristallenen Violinschlüssel (heuer im Farbton „Blue Shadow“); es sei eine „logische Konsequenz“ gewesen, auch im Dresscode die eleganteste Herrenkleidung, den Frack, als einzige Option neben bodenlangem Abendkleid einzuführen.

Die Jugend entdeckt die Tradition

Wobei, ganz unrecht dürfte das den Herren unter den Ballbesuchern nicht sein. Hört man sich bei Wiens Frackhändlern und -schneidern um, so haben die Wiener ihre Liebe zum Frack wiederentdeckt. „Schon in den letzten Jahren waren immer mehr Männer da, die sich für den Philharmonikerball einen Frack zugelegt haben“, sagt etwa Viktor Latosinski, Junior-Chef des Geschäftes Frack & Co, das sich in einer Seitengasse nahe der Oper befindet. Nur vereinzelt hätten ein paar Herren in der Hektik den neuen Frackzwang für den gestrigen Philharmonikerball übersehen und seien gerade noch rechtzeitig in sein Geschäft gekommen. Latosinski spricht gar von einer Renaissance des Fracks. „Absolut, auch die Jugend ist konservativer geworden. Ich will nicht sagen, man besinnt sich auf die alten Werte, aber es gibt ein Bedürfnis, die Tradition wieder aufleben zu lassen.“ Der Modeexperte vergleicht das gern mit der Tracht, die ja auch in den vergangenen Jahren selbst in Wien eine Hochblüte erlebt hat – und nach wie vor erlebt.

Für Latosinski haben also nicht unbedingt die Veranstalter einen Frackzwang auferlegt. „Das Upgrading kommt von den Ballbesuchern, viele Herren haben sich im Smoking underdressed gefühlt.“ Ähnlich war das übrigens beim Ball der Industrie und Technik (Techniker-Cercle), der vor sechs Jahren den Smoking verbannte. Auch damals sei dem Frackhändler aufgefallen, dass ihn viele Kunden schon weit vor dem Frackzwang gezielt für den Techniker-Cercle aufgesucht hätten, um das elegante Kleidungsstück zu erwerben. Und: Es werde wieder mehr gekauft statt geliehen. „Daran sind wir nicht ganz unbeteiligt, weil wir ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Ein Leihfrack kostet meist 250 Euro, bei uns bekommt man schon ab 800 Euro einen Frack. Ein Wiener kauft sich also einen Frack. Der Verleih ist eher etwas für Touristen und Gäste geworden.“ Denn: „Der Frack ist etwas Spezielles, eine Wiener G'schicht.“

Auch bei Lambert Hofer Junior, der sich auf Verleih sowie den Verkauf von maßgeschneiderten Fräcken spezialisiert hat, spürt man die neue Kleidervorschrift. „Sehr viele junge Leute wollen wieder einen Frack haben“, sagt Inhaberin Olga Huber. Wobei die Jungen bei ihr zuerst einmal den Verleih nutzen. 240 Euro kostet das Ausleihen eines Fracks, inklusive Frackwäsche, also Hemd, Weste und (weißer) Fliege. Maßanfertigungen sind ab 2300 Euro zu haben. „Der hält dann ein Leben lang, wenn man nicht zunimmt.“ Die Zeit bleibt freilich trotz Tradition nicht stehen. Wie die Philharmoniker betonen, gilt ihr Dresscode „genderneutral“. Damen dürfen demnach Frack tragen. Und Herren, „falls sie wollen“, auch ein bodenlanges Kleid.

AUF EINEN BLICK

Der Frack ist die taillenkurze Jacke mit den charakteristischen knielangen Schwalbenschwänzen am Rückenteil. Meist wird damit aber der ganze Anzug (inklusive Frackhose, -hemd, -weste, weißer Fliege und Frackknöpfen) bezeichnet. Er stammt vom englischen Frock ab, einem Kleidungsstück der Arbeiterschicht. Anfang des 18. Jahrhunderts entdeckten ihn Adelige für sich. Um 1850 etablierte er sich zu einem eleganten Kleidungsstück für besondere Anlässe. Anfang des 20. Jahrhunderts bekam er Konkurrenz durch den Smoking.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2017)

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