Wer studiert hat, gründet selten

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Öfter als von der Uni geht es in Österreich von der Lehre zur eigenen Firma. Jetzt will die Kammer an den Universitäten nachhelfen.

Wien. Junge Gründer braucht das Land! Auf diesen einen Schlachtruf könnten sich wohl alle heimischen Parteien derzeit einigen. Geht es nach ihnen, würde die junge, technikaffine Elite am besten gleich nach der Uni in ihre selbst gegründeten Internet-Start-Ups wechseln. Die Realität sieht anders aus. Der typische österreichische Jungunternehmer war im Vorjahr 37 Jahre alt, männlich und kein Digital-Guru à la Mark Zuckerberg, sondern eher Elektriker oder Installateur. Jeder zweite Neugründer hievte sich 2016 aus einem klassischen Lehrberuf selbst in den Chefsessel.

Das ist keineswegs zu bedauern, es widerspricht jedoch dem Bild vom digitalen Vorreiterland Österreich, das die Regierungsspitze so gerne zeichnet. Tatsächlich schrecken die heimischen Studierenden vor dem Thema Unternehmertum aber eher zurück. So kann sich einer Umfrage zufolge zwar jeder fünfte Uniabsolvent vorstellen, innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Unternehmen zu gründen. Die tatsächliche Quote liegt weit darunter. Direkt nach dem Abschluss wagen überhaupt nur die wenigsten den Sprung in die Selbstständigkeit. Fünf Prozent aller 29.074 Jungunternehmer im vergangenen Jahr gründeten direkt nach der Ausbildung. Darin enthalten sind allerdings nicht nur Uni-Absolventen, sondern auch Maturanten oder Lehrlinge.

44 Prozent Gründerinnen

„Der Wunsch nach Selbstständigkeit ist bei den Uniabsolventen unterentwickelt“, sagte WKÖ-Chef Christoph Leitl bei der Präsentation der aktuellen Gründerzahlen. Die Wirtschaftskammer will das ändern und verhandelt daher mit der Wirtschaftsuniversität Wien über die Neuschaffung eines Gründerzentrums. Betrieben würde die Informations- und Serviceeinrichtung von der Universität, bezahlt würde sie von der Kammer, so Leitl. Die Eröffnung ist noch im heurigen Jahr geplant, weitere Universitäten sollen danach folgen.

Aber egal, ob Uniabsolvent oder Arbeitsloser. Wer immer in Österreich gründet, hat vergleichsweise gute Chancen, auch Jahre später noch Unternehmer zu sein. Immerhin sieben von zehn Jungunternehmen erleben zumindest den fünften Geburtstag. Das ist europaweit Rang vier. Ebenfalls weit vorne im europäischen Vergleich ist Österreich bei den Gründerinnen. Immerhin 44 Prozent aller Jungunternehmer waren Frauen. Zählt man die knapp 11.000 neuen Personenbetreuer (sprich: Heimhilfen) dazu, steigt der Anteil über die Hälfte.

Bei den Motiven für die Selbstständigkeit gibt es aber große Unterschiede zwischen Mann und Frau. Fast drei Viertel aller Jungunternehmerinnen gründen, weil sie hoffen, dadurch flexibler über ihre Zeit verfügen – und etwa Karriere und Familie besser vereinbaren – zu können. Männer entscheiden im Unterschied hingegen dafür, weil sie ihr eigener Chef sein wollen. Nur zwei Prozent aller Frauen gaben in der Umfrage an, in die Selbstständigkeit gedrängt worden zu sein.

Um das Unternehmertum im Land zu fördern, wünscht sich die Kammer einen Steuerfreibetrag von 100.000 Euro für Gründungsbeteiligungen für Private und die Wiedereinführung der (billigeren) GmbH Light.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2017)

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