Schwarz-Blau gewinnt in Graz

GRAZ-WAHL: GRAZER GEMEINDERATSWAHL 2017 - NAGL
GRAZ-WAHL: GRAZER GEMEINDERATSWAHL 2017 - NAGLAPA/ERWIN SCHERIAU
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Bürgermeister Siegfried Nagl schafft Zugewinne mit der ÖVP und könnte nun eine Koalition mit den Freiheitlichen eingehen. Für die SPÖ bringt die Graz-Wahl schwere Verluste.

Wien/Graz. Siegfried Nagl hat es wieder geschafft: Der seit 2003 regierende Grazer ÖVP-Bürgermeister hat bei der Gemeinderatswahl deutlich zulegen können und steht vor einer vierten Amtsperiode. Logischer Koalitionspartner wären diesmal die Freiheitlichen, die ebenfalls zulegen konnten. Alternative wäre eine Dreierkoalition mit SPÖ und Grünen oder mit einer der beiden Parteien und den Neos. Rechnerisch wäre auch eine Zusammenarbeit mit der KPÖ möglich, die mit mehr als 20 Prozent wieder stark abgeschnitten hat. Doch das hat Nagl aber schon im Vorfeld ausgeschlossen. Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Wahl:

1. Die ÖVP kann in den Städten noch gewinnen

Lange Zeit glaubte man: Die Volkspartei ist zwar auf dem Land stark, hat aber angesichts der Konkurrenz von Grünen und Neos in den Städten keine Chance mehr. In Wien ist die Volkspartei ja schon zur Kleinpartei geschrumpft, auch in anderen Städten waren die Ergebnisse in letzter Zeit eher bescheiden. Siegfried Nagl hat nun gezeigt, dass die ÖVP sich auch im urbanen Raum immer noch behaupten kann. Und zwar nicht mit einem „liberaleren“ Programm, das sich an Positionen von Grünen und Neos anbiedert, sondern mit klarem Schwerpunkt auf traditionelle konservative Positionen. Notwendig ist allerdings ein überzeugender Spitzenkandidat – und der ist bekanntlich nicht immer so einfach zu bekommen.

2. Es gibt Mittel gegen den „unaufhaltsamen“ Aufstieg der FPÖ

Die FPÖ hat bei der Wahl dazugewonnen – allerdings von einem niedrigen Niveau aus. Ein Ergebnis in der Größenordnung von unter zwanzig Prozent ist kein großer Erfolg für eine Partei, die die Ambition hat, nach der nächsten Nationalratswahl den Bundeskanzler zu stellen. Damit hat sich aber auch die These als falsch herausgestellt, es gäbe praktisch kein Mittel gegen die Freiheitlichen, die mit dem Ausländerthema punkten. Bisher hat ja weder der Konfrontationskurs gewirkt, noch der Versuch, die Themen der FPÖ zu übernehmen. Von beidem haben die Freiheitlichen profitiert. In Graz haben es die anderen Parteien mit einem Weg der Unaufgeregtheit versucht, sind auf offensichtliche Provokationen nicht eingestiegen und haben damit den Aufstieg der FPÖ doch eingebremst.

3. Die Grünen sind weit davon entfernt, ihr Potenzial auszunutzen

Bei der Nationalratswahl waren die Grünen in Graz die Nummer eins, auch bei der Präsidentschaftswahl hat sich Alexander Van der Bellen in der steirischen Landeshauptstadt klar durchgesetzt. Zehn Prozent bei der Gemeinderatswahl sind dementsprechend enttäuschend für die Grünen. Das liegt nicht nur an einer neuen und weitgehend unbekannten Spitzenkandidatin, sondern auch an organisatorischen Schwächen der Partei auf lokaler Ebene – und die gibt es nicht nur in Graz.

4. Ein populärer Bundeskanzler gewinnt noch keine Wahlen

Christian Kern hat in Umfragen zwar hohe persönliche Beliebtheitswerte, die erste Wahl nach seinem Amtsantritt als SPÖ-Chef hat die Partei aber klar verloren. Die SPÖ hat in Graz nur noch den Status einer Kleinpartei – obwohl sie dort vor nicht allzu langer Zeit den Bürgermeister gestellt hat. Das ist natürlich hauptsächlich auf lokale Probleme wie den häufigen Obmannwechsel zurückzuführen, auf lange Sicht wird die SPÖ aber auch in den Ländern und Gemeinden wieder Fuß fassen müssen. Eine schwache SPÖ gibt es ja nicht nur in Graz, sondern auch in mehreren Bundesländern wie Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg. Und das zu ändern liegt natürlich vor allem in der Verantwortung des Parteichefs.

5. Die Neos haben noch einen weiten Weg vor sich

Die Neos haben den Einzug in den Gemeinderat geschafft, aber von der großen Aufbruchstimmung wie kurz nach der Nationalratswahl ist nichts mehr zu merken. Immerhin gelingt die organisatorische Verankerung auf lokaler Ebene in Einzelfällen. Wenn die Partei langfristig eine Rolle spielen will, wird da aber noch viel mehr kommen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2017)

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