Schwarz-Blau in Graz? Eine Liebesheirat sieht anders aus

GRAZ-WAHL: GRAZER GEMEINDERATSWAHL 2017 - NAGL
GRAZ-WAHL: GRAZER GEMEINDERATSWAHL 2017 - NAGL(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Diese Woche intensivieren ÖVP und FPÖ die Verhandlungen. Der Wahlsieger, Bürgermeister Siegfried Nagl, sieht sich mit Forderungen seines möglichen Partners konfrontiert.

Graz. Eines ist schon vor dem Ende der Gespräche, die am Valentinstag aufgenommen wurden, klar: Sollte es zu einer Einigung zwischen Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und Stadtrat Mario Eustacchio (FPÖ) kommen, wird es keine Liebesheirat.

Erste Gespräche „waren nicht schlecht“, sagte Bürgermeistersprecher Rajakovics. „Es waren konstruktive Runden, wiewohl die großen Brocken noch ausgespart wurden.“ Diese Woche, in der Steiermark sind Semesterferien, wird in Untergruppen weiterverhandelt. Verhandlungsrunden mit Nagl und Eustacchio sind für Rosenmontag, Faschingsdienstag und Aschermittwoch angesetzt. Bis 15. März sollen die Gespräche abgeschlossen sein, so der Plan.

Abseits eines freien Spiels der Kräfte ist Schwarz-Blau die letzte mögliche Koalitionsvariante, die Nagl bleibt. Das Verhältnis zwischen ÖVP und FPÖ erscheint aber getrübt. „Mario Eustacchio wollte die Hauptverantwortung nicht tragen und hat mir nach einem Jahr Zusammenarbeit ausrichten lassen, dass er nicht mehr zur Regierungssitzung kommt.“ Dies erzählte Nagl im Interview mit der „Presse“ knapp vor der Grazer Gemeinderatswahl, aus der er als klarer Sieger hervorging. Und weiter: Eustacchio habe auch im Verkehrsbereich „nichts Weltbewegendes zusammengebracht“.

Nun müssen es die beiden dennoch wieder versuchen: Nagl, weil das freie Spiel der Kräfte schon in der vergangenen Legislaturperiode nicht funktioniert hat. Und Eustacchio, weil er keines seiner beiden Wahlziele – Zweiter zu werden und einen zweiten Stadtsenatssitz zu gewinnen – erreicht hat. Das Scheitern von Koalitionsverhandlung wäre somit eine weitere Niederlage für ihn, und das Rumoren in der Grazer FPÖ würde größer werden.

FPÖ will KPÖ-Ressort

Nichtsdestoweniger hat die FPÖ klare Forderungen an Nagl formuliert: Das Wohnbauressort beansprucht Eustacchio für seine Partei – dieses ist aber seit Jahren in der Hand der Kommunisten. Und: „Der ,Österreicher-Bonus‘ im sozialen Wohnbau ist für uns Pflicht“, sagte Eustacchio. Soll heißen, dass Österreicher bei der Zuteilung von Gemeindewohnungen bevorzugt behandelt werden.

Nagl, der Graz in politischen Anfangsjahren als „Bollwerk gegen die Türken“ bezeichnet hatte, hat sich zu einem Konservativen mit liberalem Anstrich gewandelt. Aus diesem Grund wird in Sachen Integration die FPÖ einen Schritt auf Nagl zumachen müssen. „Wer Sicherheit gewährleisten will, muss Integrationsarbeit leisten. Und Integration braucht Bildung“, ist Nagls neues Credo. Wie die Forderung nach einem „Österreicher-Bonus“ in dieses Konzept passt, wird sich im Lauf der Verhandlungen weisen. Sollte sich die FPÖ aber nicht bewegen, sind auch Neuwahlen nicht ausgeschlossen, ist im Rathaus zu vernehmen. Bürgermeistersprecher Thomas Rajakovics dementierte dies aber.

Bleibt die zweite Forderung nach dem Wohnbauressort. Grundsätzlich ist es an Nagl, die Zuständigkeiten im Stadtsenat zu verteilen. Würde er Kahr das Ressort entziehen, würde dies nicht ohne Gegenwehr geschehen. Kahr ist beliebt, mittlerweile gibt es auch eine Onlinepetition, die ihren Verbleib als Wohnbaustadträtin fordert. Zudem steht Nagl vor dem Problem, dass die KPÖ einen zweiten Stadtsenatssitz dazugewonnen hat. Er muss den Kommunisten also ein weiteres Ressort übertragen – in Graz wird der Stadtsenat nach dem Proporzsystem besetzt.

Dissonanzen gibt es auch abseits der FPÖ-Forderungen: Graz hat Feinstaubprobleme, 2017 ist die Summe der erlaubten Feinstaubtage (25) bereits überschritten. Akzente hat Eustacchio in seiner Funktion als Verkehrsstadtrat in diesem Bereich keine gesetzt. Einig sind sich Nagl und Eustacchio hingegen in Sachen Murkraftwerk. Beide befürworten den Bau der umstrittenen Staustufe, beide stimmten 2011 auch gegen eine Volksbefragung, die von Grünen und der KPÖ gefordert wurde.

Doch Nagl bleibt trotz aller bisherigen Differenzen bei den Gesprächen für die Regierungsbildung noch Zeit: Spätestens bis 5. April muss der neu gewählte Gemeinderat angelobt werden.

AUF EINEN BLICK

Grazer Regierung. Vor zwei Wochen, am 5. Februar, konnte Siegfried Nagl (ÖVP) die Grazer Gemeinderatswahl mit 37,8 Prozent für sich entscheiden. Die KPÖ blieb mit 20,3 Prozent an zweiter Stelle, die FPÖ kam auf 15,9 Prozent. Dahinter liegen dann Grüne, SPÖ und Neos. Die Mehrheitsbildung gestaltet sich ähnlich schwierig wie in der vorangegangenen Periode, während der Nagl via „freies Spiel der Kräfte“ regierte.

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