Nach ersten Verkaufsgerüchten von Opel an PSA witterte die Börse schon eine Elefantenhochzeit in den USA – doch diese Hoffnung muss FCA-Boss Marchionne wohl begraben.
Allein die ersten Meldungen am Dienstag dieser Woche, wonach der PSA-Konzern die GM-Tochter Opel übernehmen könnte, waren der Börse einen spontanen Luftsprung wert – wohlgemerkt den Aktienkurs des US-Rivalen Fiat Chrysler (FCA) betreffend.
Die sieben Prozent Zuwachs basierten augenscheinlich auf der Hoffnung, nach dem europäischen Merger könnte sich auch ein amerikanischer anbahnen. FCA-Chef Sergio Marchionne hatte schon 2015 erklärt, für eine Hochzeit mit GM mehr als bereit zu sein.
Aus dem Rennen
Was der Vermählung im Weg stand, war nicht zuletzt das Europageschäft von GM, das in Form von Opel/Vauxhall direkt mit Fiat konkurriert. Und natürlich die Ansicht von GM-Bossin Mary Barra, die ganz andere Ziele verfolgt, als einen Giganten zu kreieren, selbst wenn Börsianer das gut fänden.
Stattdessen nimmt Barra GM lieber gleich aus dem Wettlauf um die Krone des größten Autoherstellers der Welt. Diesen Rang hatte General Motors über Jahrzehnte inne – und er bot schlechten Schutz für die Finanzkrise 2008. Schon im Jahr darauf schlitterte GM in die Insolvenz und überlebte nur durch die Rettungsaktion der Regierung Obama. In den drei Jahren, die Barra im Amt ist, hat sie sich von verlustbringenden Operationen ohne viel Aufhebens getrennt und mit Indonesien, Thailand und Russland große Märkte verlassen, auf denen der Konzern Verluste einfuhr. An hohen Stückzahlen allein ist ihr nicht gelegen.
Was sollte für einen Merger mit FCA sprechen? Marchionne argumentiert neben den üblichen Synergiepotenzialen vor allem mit den immer höheren Entwicklungskosten, die man sich teilen könne, wo man ohnehin die annähernd gleichen Produkte auf dem Markt hat.
Auch Barra geht es um den Ertrag, doch der Weg zu gesunder Wertschöpfung führt für sie nicht über schiere Größe. Anders als der Kanadier Marchionne, der in der Finanzwelt groß geworden ist und nach eigenen Aussagen keinen Tropfen Benzin im Blut hat, stammt die 55-jährige Barra aus einer Familie von Detroiter Autoarbeitern und hat sich bei GM durch die Werkshallen hochgearbeitet. Das schärft ihren Blick auf die Risken von Zusammenschlüssen, die in Vorstandsetagen gefeiert werden, um dann in den Stockwerken darunter zu scheitern. An mangelnder kultureller Passfähigkeit ging die Ehe Daimler/Chrysler ziemlich hässlich entzwei, deswegen geriet man sich bei Volkswagen und Suzuki bös in die Haare – als letztlich wertlos erwiesen sich die glänzenden Vorhersagen der Analysten. Ford trennte sich von den Verlustbringern Mazda und Volvo – beide Marken prosperieren heute unter anderen Eigentümern. Aber wäre es nicht „great“, wenn zwei Amerikaner . . .? Noch dazu aus der gleichen Stadt? Wer sich in Detroit halbwegs auskennt, weiß, dass bei Chrysler und bei GM arbeiten sich ungefähr vergleichen lässt mit Fan sein von Rapid und von Austria. Viel Spaß beim ersten gemeinsamen Match!
Noch ist ja die Opel-Übernahme durch PSA nicht zementiert. Doch auch in diesem Fall würde ein jeweils unterschiedliches kulturelles Selbstverständnis zum Thema werden. In der Branche witzelt man schon über den Clash der Kulturen Paris/Rüsselsheim.
Unwahrscheinlich, dass Hobbyrennfahrer und PSA-Boss Carlos Tavares deswegen vom Gas geht. Und Wien? Dem Motoren- und Getriebewerk mit 1600 Mitarbeitern kann man auch nicht mehr viel Schlimmeres vorhersagen als es der eigene Boss tat – Opel-Chef Neumann spekulierte gerade über einen kompletten Umstieg der Marke auf Elektroautos bis 2030.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2017)