Kämpfe in Syrien überschatten Genfer Friedensgespräche

Rebellen in Al-Bab.
Rebellen in Al-Bab.APA/AFP/MAAN AL-SHANAN
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Mit Unterstützung der Türkei haben Rebellen die Stadt Al-Bab im Norden Syriens erobert. In der Schweiz versuchen die zerstrittenen Parteien, sich näher zu kommen.

Schwere Kämpfe in Syrien haben den Auftakt neuer Friedensgespräche in der Schweiz überschattet. Die Chefunterhändler der syrische Regierung und der Opposition trafen am Donnerstag getrennt voneinander bei den Vereinten Nationen in Genf ein.

Parallel wurden nach Angaben der oppositionsnahen Beobachtungsstelle für Menschenrechte Rebellen-Gebiete in den westlichen und zentralen Provinzen Deraa und Hama aus der Luft angegriffen. Aufständische hätten wiederum Regierungsziele mit Raketen beschossen. Im Norden des Bürgerkriegslandes übernahmen zudem Rebellen mit Unterstützung des türkischen Militärs nach Angaben der Regierung in Ankara die Kontrolle über nahezu die gesamte IS-Hochburg Al-Bab.

Die Freie Syrische Armee (FSA) sei ins Zentrum von Al-Bab eingerückt, sagte Verteidigungsminister Fikri Isik der Nachrichtenagentur Anadolu. Die Soldaten sind dem Bericht nach dabei, Minen zu räumen, die der sogenannte "Islamische Staat" (IS) in der Stadt hinterlassen habe. Die FSA ist ein loser Verbund von syrischen Arabern und Turkmenen. Sie haben Al-Bab seit Dezember angegriffen, unterstützt von türkischen Kampfjets, Panzern und Spezialeinheiten.

Der Ort liegt 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Mit der Eroberung weitet die Türkei eine Pufferzone im Norden Syriens aus, von der aus die von ihr unterstützten Kämpfer weiter auf die faktische Hauptstadt des IS in Syrien, Raqqa, vorrücken könnten. Gleichzeitig hofft die Türkei, die Ausbreitung der syrischen Kurdenmiliz YPG an seiner Grenze zu verhindern, die sie als verlängerten Arm der verboten kurdischen Arbeiterpartei PKK betrachtet.

De Mistura dämpfte Erwartungen bei Friedensgipfel

Der IS hatte das Chaos im Zuge des seit fast sechs Jahren andauernden syrischen Bürgerkriegs genutzt, um in dem Land vom Irak aus Fuß zu fassen. Von den Friedensgesprächen in Genf ist der IS ausgeschlossen. Dort soll es darum gehen, Rebellen und Regierungsvertreter zusammenzubringen. Es sind die ersten Friedensgespräche in der Schweiz seit fast einem Jahr. Im April 2016 waren sie wegen der eskalierenden Gewalt besonders rund um die inzwischen unter Regierungskontrolle stehende Großstadt Aleppo abgebrochen worden. Danach initiierten Russland, die Türkei und der Iran ein neues Format in der kasachischen Hauptstadt Astana. Dort wurde eine Feuerpause vereinbart, die sich aber als brüchig erwiesen hat.

Im Vorfeld des Treffens in Genf hat der UN-Syrien-Gesandte Staffan de Mistura die Erwartungen gedämpft und erklärt, er rechne nicht mit einem Durchbruch. Fraglich ist allein schon, ob er die Vertreter der Konfliktparteien überhaupt in einen Raum zusammenbekommt. Für Donnerstag war nach Angaben von Diplomaten "eine Art Eröffnungszeremonie" geplant, auf der De Mistura die Delegationen formell begrüßen wolle.

Wo in Syrien trotz Waffenruhe noch gekämpft wird

Seit Ende Dezember gilt in Syrien eine von Russland und der Türkei vermittelte Waffenruhe. Nach Angaben von UN-Vermittler Staffan de Mistura hält sie "im Großen und Ganzen". Dennoch flammt die Gewalt immer wieder auf, wie Aktivisten berichten.

Ost-Ghouta: Im Osten der Hauptstadt Damaskus kommt es regelmäßig zu Gefechten und Artilleriebeschuss der Armee. Die Opposition wirft der Regierung vor, sie blockiere und beschieße Ost-Ghouta, um gegnerische Kämpfer zum Abzug zu zwingen - so wie sie es in anderen Regionen des Landes bereits zuvor getan hat. Nach Angaben regierungstreuer Medien laufen darüber in mehreren Orten von Ost-Ghouta Verhandlungen. Sollte die Armee den Osten von Damaskus wieder unter Kontrolle bringen, hätte sie das Umland der Hauptstadt fast vollständig gesichert.

Homs: Regierungskräfte beschießen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte den belagerten Stadtteil Al-Waer der zentralsyrischen Stadt Homs. Bei Luftangriffen starben demnach vor einer Woche ein Kind und eine ältere Frau. Damit seien in Al-Waer innerhalb von elf Tagen 27 Zivilisten getötet worden.

Deraa: Am 12. Februar beginnen mehrere Rebellengruppen einen Angriff auf Regierungskräfte in dem Viertel Manshia, das zu der Stadt Deraa im Süden Syrien gehört. Das sei der erste größere Bruch einer Waffenruhe in der Region gewesen, die dort seit Februar 2016 gelte, erklärte das in Washington ansässige Militärforschungsinstitut ISW. Auch am Donnerstag gab es dort heftige Kämpfe.

Provinz Idlib: Aus der fast vollständig von Rebellen gehaltenen Provinz im Nordwesten Syriens melden die Aktivisten der Menschenrechtsbeobachter regelmäßig Gefechte und Luftangriffe der Regierungskräfte. Zugleich bekämpften sich dort in den vergangenen Wochen rivalisierende Rebellengruppen.

Daneben gibt es weiterhin im mehreren Gebieten Kämpfe mit der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Diese ist jedoch wie andere extremistische Gruppen von der Waffenruhe ausgenommen.

(APA/Reuters)

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