Skisprungtrainer aus Österreich stehen auch in Lahti hoch im Kurs, Gold für Stefan Kraft ist eine Premiere für Heinz Kuttin. Ein zweiter Sieg wäre historisch.
Toni Innauer hat es dieser Tage manchmal besonders eilig. Dann will er eigentlich gar nicht reden, auch ein Mittagessen endete jäh bis abrupt. Sitzungen rufen, der 58-jährige Bezauer ist, natürlich, bei der Nordischen WM in Lahti im Einsatz. Doch Österreichs Schanzenexperte ist nicht für das ÖSV-Team aktiv, seit 2010 beschreitet er andere Wege. Motivationsseminare, Lesungen, Innauer beratet, der Unternehmer schreibt Bücher, Kolumnen und ist für ZDF vor Ort.
Er freut sich ungemein, wenn er auf den Schanzenturm blickt. Skisprungtrainer aus Österreich stehen hoch im Kurs, der Erfolg gibt ihnen Recht: Stefan Kraft wurde erstmals Weltmeister von der Normalschanze, das ist das Highlight auch für Innauer. Dass aber 13 der Top 15 einen Österreicher als Coach hätten, zeige die wahre Güte der rot-weiß-roten Schanzenkultur. Egal ob Heinz Kuttin, Werner Schuster (Deutschland), Alexander Stöckl (Norwegen), Stefan Horngacher (Polen), Andreas Mitter (Finnland) oder Richard Schallert (Tschechien), „es sind Fachleute, die alle das Skigymnasium in Stams besucht haben“, sagt Innauer. Alle lernten oder arbeiteten später unter seiner Regie. Sie hätten sich nicht nur weitergebildet, ihren Erfolg wollte er sich partout nicht an die Brust heften, vor allem aber sei für ihn eines unübersehbar: „Sie haben die Begeisterung für die Wunderwelt des Skispringens nicht verloren.“
Trainer und Handwerker
Die Siegesserie der ÖSV-Adler unter Alexander Pointner, sei es bei der Tournee (2009-2015), WM oder Olympia machte die „österreichische Schule“ in der Szene interessant. Dominierten früher vorwiegend Finnen dieses Metier und ergatterten auch die bestbezahlten Jobs, so sind es in der Gegenwart Tiroler, Vorarlberger oder Steirer, die auf den Schanzentürmen die Fahnen schwingen.
Mit ihren Auslandsengagements startete ein Transfer von Know-how und Personal, die in Österreich installierten Ideen wurden fortgeführt, kopiert, ausgebaut. Basierend darauf, dass die Ausbildung bereits im Kindesalter beginnen müsse, Klubs, Trainer und Verband eine Linie verfolgen müssten. Zudem, wer es im Sport nicht schaffe, brauche ein anderes Sprungbrett, einen Beruf.
Innauer nannte ein Beispiel, auch weil er ihn selbst betreut und mit ihm bei der WM 2001 hier in Lahti Gold im Teambewerb von der Normalschanze gewonnen hatte: Stefan Horngacher. Polens Trainer machte einst den Lehrabschluss als Zimmermann. Andere wurden Zeichner, Techniker oder Tischler – und alle folgten unaufhaltsam ihrer Liebe zum Absprung. Dass es noch eine Stufe höher geht, zeigt die Möglichkeit, die sich in der Kombination mit Sportstudium und Arbeit bietet: Stöckl und Schuster absolvierten zusätzlich zur Trainerausbildung auch ein Lehramtsstudium. Sie sind somit Pädagogen, die Skispringern Flügel machen.
Die Zahlen sprechen in dieser Saison eine deutliche Sprache: bis auf vier Weltcupspringen, die der Slowene Domen Prevc gewann, war stets ein österreichischer Trainer Sieger. Auch Stefan Kraft setzte seine Serie fort – mit WM-Gold landete er zum achten Mal in Serie auf dem Podest. All das gibt Anlass zur Hoffnung, dass Kraft auch am Donnerstag von der Großschanze jubeln könnte. Viermal ist der Doppelsieg bereits bei einer WM gelungen. Allerdings: Noch kein ÖSV-Weltmeister konnte je zu zweitem WM-Gold abheben. Kultur hin, Serien und Talent her.
Österreichs sechstes WM-Gold auf der im Weltcup nicht mehr vertretenen Kleinschanze ist auch eine Auszeichnung für Heinz Kuttin, der 1991 in Val di Fiemme gewonnen hatte: es ist sein erstes Gold als Trainer. „Wir haben gewusst, dass es nervenaufreibend wird“, erklärte der Kärntner. „Aber Krafts Leistung ist schon seit Wochen einzigartig. In die Vierschanzentournee startete er super, wird krank, muss einen Weltcup sausen lassen, gewinnt wieder und ist jetzt in einer bestechenden Form.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2017)