Peugeot kauft Opel und erhält Mitgift in Milliardenhöhe

Opel bekommt eine französische Mutter
Opel bekommt eine französische MutterAFP (DANIEL ROLAND)
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PSA Peugeot Citroen übernimmt den verlustreichen Autohersteller Opel. Um die Braut hübsch zu machen, muss die US-Mutter General Motors drei Milliarden Euro für die Begleichung von Pensionsverplichtungen an PSA überweisen.

Trennung unter Schmerzen: General Motors verkauft seine verlustreiche Europa-Tochter Opel an den französischen Konzern PSA Peugeot Citroen und gibt ihr als Mitgift eine Milliardensumme auf den Weg. PSA zahlt für den Rüsselsheimer Autobauer und die britische Schwester Vauxhall 1,3 Milliarden Euro an die Amerikaner. Weitere 900 Millionen Euro erhält GM für das europäische Geschäft der Autobank GM Financial, die Peugeot gemeinsam mit der französischen Bank BNP Paribas übernimmt. Um die Braut hübsch zu machen, muss die US-Mutter allerdings drei Milliarden Euro für die Begleichung von Pensionsverplichtungen an PSA überweisen. Unter dem Strich ist der Deal für den Detroiter Konzern damit ein Minusgeschäft.

"So ist das halt, wenn man ein Problem loswerden will. Man muss in der Regel draufzahlen", sagte Arndt Ellinghorst vom Londoner Investmentberater Evercore ISI. GM-Chefin Mary Barra habe Opel abstoßen und PSA-Chef Carlos Tavares das Unternehmen haben wollen. Für die Rüsselsheimer sei dies eine Chance. "Denn mit einem europäischen Partner werden die viel besser unterwegs sein können als mit einem amerikanischen." Die US-Mutter hatte Opel an der kurzen Leine geführt und der Tochter den Verkauf von Autos in den USA und China untersagt. Ellinghorst sieht allerdings für die Zukunft der Auto-Ehe auch Risiken: Derzeit sei der Pkw-Markt in Europa in guter Verfassung. Sollte jedoch eine Rezession aufziehen, wäre Peugeot-Opel ein "Klumpenrisiko".

Anleger feierten die Vermählung dennoch: Die Aktien des französischen Autobauers stiegen in Paris bei überdurchschnittlichen Umsätzen zeitweise um mehr als fünf Prozent und waren mit 20,06 Euro so teuer wie zuletzt vor fünfeinhalb Jahren. Die Papiere von GM hatten in der vergangenen Woche in Vorfreude auf den sich abzeichnenden Deal bereits überdurchschnittlich zugelegt. General Motors zieht sich mit dem Verkauf von Opel aus dem verlustreichen Europa-Geschäft zurück und kappt damit nach 88 Jahren die Verbindung weitgehend.

Was kommt nach 2018?

"Wir sind zuversichtlich, dass der Turnaround von Opel/Vauxhall mit unserer Unterstützung deutlich beschleunigt wird", sagte PSA-Chef Tavares. "Gleichzeitig respektieren wir die Verpflichtungen, die GM gegenüber den Mitarbeitern von Opel/Vauxhall eingegangen ist." Die Garantien beziehen sich allerdings nur auf die schon von General Motors ausgesprochenen Zusagen und Vereinbarungen. Die mehr als 19.000 Opelaner in Deutschland sind noch bis Ende 2018 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Für die Standorte in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach hat GM zudem bis 2020 Investitionen und Produktion tarifvertraglich zugesagt. Europaweit arbeiten bei der GM-Tochter mehr als 38.000 Menschen.

Opel hatte im vergangenen Jahr sein Ziel verfehlt, erstmals seit 17 in die Gewinnzone zurückzukehren. Als Grund nannte das Unternehmen Währungsturbulenzen nach dem Beschluss der Briten zum Austritt aus der Europäischen Union. Dennoch sieht Peugeot die britischen Werke von Vauxhall als Vorteil der Allianz. Angesichts des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU biete sich die Gelegenheit, im Vereinigten Königreich Fabriken zu haben, "falls es einen harten Brexit gibt", sagte der PSA-Vorstandsvorsitzende zu Analysten und Investoren.

Die Bundesregierung und die drei Bundesländer mit Opel-Standorten begrüßten die Unterzeichnung der Verträge als ersten Schritt, "um in Europa einen europäischen Global Player ... auf den Weg zu bringen". In einer Erklärung hieß es, es sei gut, dass es Zusagen von PSA gebe, die bestehenden Verträge über Standorte, Beschäftigung und Investitionen zu erhalten und Opel sowie die britische Schwester Vauxhall als eigenständige Marke fortzuführen. Es müsse aber gewährleistet werden, dass im weiteren Verlauf das europäische Opel/Vauxhall-Management sowie die Vertretungen der Arbeitnehmer in vollem Umfang in die anstehenden Gespräche einbezogen würden.

Betriebsrat will Zukunftsplan

Der Betriebsrat forderte einen Zukunftsplan, um die Eigenständigkeit der Marken Opel und Vauxhall zu sichern. Die bestehenden Tarifverträge sicherten die Standorte und Arbeitsplätze nur für eine Übergangsphase, erklärte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug. Er pocht zudem darauf, dass die Mitbestimmung auch nach dem Verkauf erhalten bleibe.

Peugeot erwartet von dem Zusammenschluss mit Opel Kostenvorteile von 1,7 Milliarden Euro im Jahr, vor allem durch die Zusammenlegung von Einkauf, Fertigung und Forschung und Entwicklung. Ein wesentlicher Teil davon soll bis 2020 realisiert und Opel die Rückkehr in die Gewinne ermöglichen. Peugeot stellte für Opel und Vauxhall eine anfängliche operative Rendite von zwei Prozent in Aussicht, die bis 2026 auf sechs Prozent klettern soll. Tavares hat mit Peugeot vorgemacht, dass er ein Unternehmen binnen weniger Jahre in die Gewinne führen kann. Ihm trauen Analysten zu, dies auch bei Opel zu schaffen. Zusammen mit Opel zieht Peugeot in Europa am französischen Rivalen Renault vorbei und rückt auf Platz zwei hinter Volkswagen auf.

Opel wird auch weiterhin die Patente von GM nutzen können, bis die Fahrzeuge in den kommenden Jahren nach und nach auf PSA-Plattformen gebaut werden. Die europäischen und britischen Pensionspläne von Opel/Vauxhall verbleiben größtenteils bei GM, lediglich die deutschen Pensionslasten ("German Actives Plan") werden an PSA übertragen. Für die vollständige Begleichung übertragener Pensionsverpflichtungen zahlt GM drei Milliarden Euro an die Franzosen. Hinzu kommen noch vier bis 4,5 Milliarden Dollar an Investitionen, die General Motors in den Wind schreiben muss.

Insgesamt überwiegen jedoch die Vorteile für den Detroiter Konzern, der sich nun von einer Last befreien kann, um stärker in Zukunftsbereiche wie Elektromobilität und Mobilitätsdienste zu investieren. Dabei werden die Amerikaner am erhofften Erfolg von Peugeot-Opel durch Optionsscheine für den Erwerb von PSA-Aktien beteiligt, was die Trennung noch etwas versüßen dürfte.

Peugeot und Opel im Überblick

OPEL:

ERGEBNIS: Der deutsche Autobauer kam auch 2016 nicht aus den roten Zahlen. 257 Millionen Dollar Jahresverlust verbuchte die US-Mutter General Motors in ihrem Europa-Geschäft, was einer Verbesserung von rund 600 Millionen Dollar gegenüber 2015 entspricht. Opel wies bei der Vorlage der Zahlen darauf hin, dass ohne das Brexit-Votum und den Absturz des britischen Pfunds ein positives Jahresergebnis erreicht worden wäre. Der Umsatz des Opel/Vauxhall-Geschäfts betrug im vergangenen Jahr 17,7 Milliarden Euro.

ABSATZ: Die Marke mit dem Blitz verkauft im Jahr rund eine Million Autos. 2016 erzielte der Hersteller mit einem Absatz von fast 997.000 Fahrzeugen einen Marktanteil von 6,6 Prozent in Westeuropa. Opel befindet sich nach eigenen Angaben in der größten Modelloffensive seiner Geschichte: Die Rüsselsheimer wollen bis 2020 insgesamt 29 neue Fahrzeuge und 17 neue Motoren auf den Markt bringen.

MITARBEITER: Opel beschäftigt gut 38.000 Mitarbeiter. Mehr als 19.000 davon arbeiten in Deutschland, vor allem in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach.

PSA GROUP:

ERGEBNIS: Dank radikaler Sanierung verdoppelte der französische Autobauer seinen Nettogewinn 2016 fast auf 1,7 Milliarden Euro. Gespart wurde bei Einkauf, Produktion und Verwaltung, auch höhere Preise trugen zum Anstieg bei. Der Umsatz verringerte sich im vergangenen Jahr um ein Prozent auf 54 Milliarden Euro.

ABSATZ:

Die Franzosen verkauften 2016 weltweit mehr als drei Millionen Fahrzeuge ihrer drei Marken Peugeot, Citroen und DS. In Westeuropa, wo sie mit fast 1,5 Millionen Autos rund die Hälfte ihres Absatzes erzielen, hat der Konzern einen Marktanteil von 9,7 Prozent. Damit lagen sie 2016 hinter Platzhirsch Volkswagen mit 24,1 Prozent und dem französischen Konkurrenten Renault mit 10,1 Prozent auf dem dritten Platz. Zusammen mit Opel will PSA den zweitgrößten Autobauer in Europa nach dem VW-Konzern schmieden und auf einen Marktanteil von 17 Prozent kommen. Peugeot hat angekündigt, in Europa 28 neue Modelle bis 2021 auf den Markt zu bringen.

MITARBEITER: Die PSA Group ist mit weltweit 184.000 Mitarbeiter deutlich größer als Opel.

Ehe mit Höhen und Tiefen 

General Motors zieht nach 88 Jahren einen Schlussstrich und trennt sich von Opel. Ein Überblick über die bewegte Geschichte von Opel:

- 1863: Adam Opel zieht mit seiner Nähmaschinenwerkstatt in einen ehemaligen Kuhstall in Rüsselsheim. Später kommt die Produktion von Fahrrädern dazu.

- 1895: Opels Söhne übernehmen nach dem Tod ihres Vaters das Unternehmen und kaufen 1899 eine Autofabrik. Noch im selben Jahr wird der erste Wagen in Rüsselsheim gebaut.

- Mitte der 1920er-Jahre steigt Opel mit der Fließbandproduktion in den Massenmarkt ein. Mit einem Marktanteil von 37,5 Prozent ist Opel nach eigenen Angaben 1928 der größte deutsche Autobauer.

- 1929 übernimmt General Motors den deutschen Hersteller.

- Nach der Machtübernahme durch die Nazis trennen sich die Wege von Opel und GM vorübergehend. Nachdem das Rüsselsheimer Stammwerk im Zweiten Weltkrieg zur Hälfte zerstört wird, nimmt Opel erst 1947 die Pkw-Produktion wieder auf. Nach der Währungsreform übernimmt General Motors erneut die Unternehmensführung.

- 1962 wird das Werk in Bochum eröffnet, es folgen weitere Werke in Kaiserslautern und nach der Wende in Eisenach.

- 1972 hat Opel noch einen Marktanteil von 20,4 Prozent in Deutschland.

- 1998 wird die neue Unternehmenszentrale in Rüsselsheim eingeweiht.

- Nach der Jahrtausendwende baut GM in Europa im Zuge einer Sanierung 12.000 Jobs ab - den Großteil davon in Deutschland.

- Der Marktanteil von Opel sinkt im Lauf der Jahre deutlich.

- 2008: Durch eine verfehlte Modellpolitik und die Auswirkungen der Finanzkrise droht der Mutter GM ein Liquiditätsengpass. Im November bittet Opel aufgrund der drohenden Insolvenz von GM bei der Bundesregierung um staatliche Unterstützung.

- 2009: GM fasst in der Krise eine teilweise Trennung von Opel ins Auge und ist bereit, "mit Dritten über Partnerschaften und Beteiligungen zu verhandeln". Interesse bekunden unter anderem der kanadische Zulieferer Magna, Fiat, der Finanzinvestor RHJ International und der chinesische Autobauer BAIC. Kurz vor der Anmeldung des Insolvenzverfahrens bei GM stimmt der Verwaltungsrat des US-Autobauers der Trennung von Opel zu. Das deutsche Unternehmen wird unter die Ägide einer Treuhand gestellt. Die Bundesregierung und GM einigen sich grundsätzlich auf den Autozulieferer Magna als Käufer. Bund und Länder übernehmen eine 1,5 Milliarden Euro schwere Bürgschaft. Der Verkauf an Magna kommt aber nicht zustande, weil sich GM überraschend dazu entschließt, Opel zu behalten.

- 2011: Opel leitet nach jahrelanger Krise die Wende ein. Die Rüsselsheimer legen mit einem Sparprogramm die Grundlage für massive Investitionen der US-Mutter GM in neue Modelle der Europa-Tochter.

- 2012: General Motors und Peugeot vereinbaren eine breit angelegte Allianz. Sie wollen Fahrzeugarchitekturen künftig gemeinsam nutzen und beschließen einen gemeinsamen Einkauf. GM beteiligt sich mit sieben Prozent an dem französischen Partner.

- April 2013: Die Konzernmutter GM teilt mit, dass sie bis zum Jahr 2016 umgerechnet vier Milliarden Euro in die deutschen und europäische Standorte von Opel und Vauxhall investieren will. Das Geld soll für 23 neue Modelle sowie 13 neue Motoren verwendet werden. Neuer Opel-Chef wird der frühere VW-Manager Karl-Thomas Neumann.

- Dezember 2013: GM steigt als Aktionär bei Peugeot aus und räumt damit das Feld für den chinesischen Staatskonzern Dongfeng.

- Dezember 2014: Opel schließt nach monatelangen Verhandlungen gegen den massiven Protest der Belegschaft das Werk in Bochum mit mehr als 3000 Beschäftigten.

- März 2015: Opel beschließt wegen der Wirtschaftskrise in Russland den Rückzug aus dem dortigen Markt.

- August 2016: Opel kündigt nach dem Brexit-Votum Kurzarbeit für die Werke Rüsselsheim und Eisenach an. Für die Modelle Insignia und Corsa ist Großbritannien der größte Markt.

- Februar 2017: Opel stellt sich auf ein weiteres Jahr in den roten Zahlen ein. Die versprochene Rückkehr in die Gewinnzone verpasste das Unternehmen im Jahr 2016, vor allem wegen des Brexit-Votums. Das Ziel, erstmals seit 1999 wieder schwarze Zahlen zu schreiben, soll jetzt 2018 erreicht werden.

- Peugeot und GM bestätigen am 14. Februar, dass Gespräche über einen Zusammenschluss geführt werden. Einen Tag später informiert GM-Chefin Mary Barra die Opel-Belegschaft in Rüsselsheim. Peugeot will sich an die vor einigen Jahren von GM gemachten Zusagen für die Opelaner halten. PSA-Chef Carlos Tavares drängt bei den Übernahmegesprächen zur Eile. Der Peugeot-Sanierer will möglichst rasch Synergien aus dem Zusammenschluss mit Opel heben.

- 6. März: GM verkauft sein Europa-Geschäft an Peugeot. Für Opel und die britische Schwester Vauxhall zahlen die Franzosen 1,3 Milliarden Euro. Weitere 900 Millionen Euro erhält GM für das europäische Geschäft der Autobank GM Financial, die Peugeot zusammen mit der französischen Bank BNP Paribas übernimmt.

(Laurence Frost und Jan Schwartz/Reuters)

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