Jackson-Hype: War's das jetzt?

(c) Reuters (Arko Datta)
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Die Premierenfeiern zum Michael-Jackson-Gedenkfilm gerieten von Taipei bis Seoul, von L.A. bis Wien zum Event für Fans, Stars und die Jacksons.

Michael Jackson hätte es nicht anders gewollt. Auch nach seinem Tod lebt die perfekte Inszenierung seiner Person weiter. Die Gedenkdoku „This is It“ sollte nicht irgendwie Premiere feiern, sondern, bitte sehr, in Form einer globalen Großinszenierung: in diversen Kinos großer Städte gleichzeitig.

Ausgerechnet die sonst so streng unterwürfigen Chinesen haben sich nicht daran gehalten und die Dokumentation in Peking bereits neun Stunden früher als vereinbart gezeigt. Zeitgleich mit der zweifelsohne „most glamorous“ Premiere von allen – der in Los Angeles – war auch Wien an der Reihe. Allerdings ohne Glanz und Glamour. In mehreren Kinos flimmerte um sechs Uhr früh das Jackson-Porträt mit Videomaterial von den Vorbereitungen zu den geplanten Comeback-Konzerten des Sängers über die Leinwand. Auch an eine Promi-Premiere, ebenfalls zur noch dunklen Morgenstunde um sechs Uhr früh, wurde gedacht. Freilich, ein roter Teppich wurde erst gar nicht ausgerollt, und im Cocktailkleid kam auch niemand, schon eher im Büro-Outfit. Der größte Radiosender Österreichs fand die ganze Sache trotzdem so aufregend, dass er sogar einen Live-Einstieg in die morgendliche Wecksendung fabrizierte.

Eine unübersehbare (und unschöne) Begleiterscheinung war bei allen Premieren – von Taipei bis Berlin, von Seoul bis Tokyo – zu beobachten: Menschen mit sehr bekanntem Gesicht, die sich wie kleine Putzerfische am Ruhm des vor vier Monaten verstorbenen Künstlers festkrallen und diese Red-Carpet-Events in der Nacht auf Mittwoch in erster Linie dazu nützten, um sich selbst im hellen Scheinwerferlicht der Kameras zu suhlen. Zwischen dem aufgesetzten White-Teeth-Lächeln vor der Kamera ging sich gerade noch ein bisschen gespielte Trauer um den verstorbenen Künstler aus. Die üblichen Verdächtigen aus Hollywood bekam man in Los Angeles zu Gesicht: Paris Hilton, die Sängerinnen Katy Perry und Jennifer Lopez, die Schauspieler Will Smith, Jennifer Lowe Hewitt und Anne Heche. Warum ausgerechnet Lionel Richie Stargast der Tokio-Filmpremiere war, blieb aber rätselhaft.


Natürlich lief an diesem Tag auch noch jemand anders zur Hochform auf: die Jackson-Familie. Die Brüder Jermaine, Marlon, Randy und Tito gaben nach der Premiere im Staples Center, Los Angeles, bereitwillig Interviews und sprachen von „der Seele“ ihres Bruders, der ihnen während der Filmvorführung erschienen war. Zu echten Tränen gerührt waren nur die Fans. Sie kamen mit aufgeklebten, bunten Stickern im Gesicht, übten stundenlang den Moonwalk und ließen sogar ihre Kinder als Jackson-Doubles auftreten. Kinder, die den so gerne als „King of Pop“ bezeichneten Zeit ihres Lebens nie als aktiven Künstler erlebt haben. Die weltweite Trauergemeinde an Fans, die sich nach Jacksons Tod im Juli tage- und wochenlang zu Mahnwachen versammelt hatte, ist am Mittwoch wieder zurückgekehrt. Der „Spiegel online“ schreibt Mittwoch früh gar aufgeregt, die Fans hätten „ein Wiedersehen mit ihrem Idol“ und „Michael Jacksons Kinoauferstehung“ gefeiert. Der Hype um den toten Sänger geht jedenfalls in die Verlängerung. Dazu tragen auch das aggressive Marketing und die verkürzten Laufzeiten von „This is It“ bei. In fast allen Ländern steht der Film nur knapp zwei Wochen auf dem Spielplan. Auch in Österreich waren schon im Vorverkauf mehr als 8500 Karten gekauft worden.

Der Hype um Michael Jackson nimmt bisweilen skurrile Ausmaße an. Amerikanische Kostümverleiher vermelden, das beliebteste Halloween-Kostüm neben Barack Obama und Bernie Madoff ist heuer: Michael Jackson. Nach den Halloween-Feiern wird dann aber wohl die Frage gestattet sein dürfen: War's das jetzt?

Siehe auch Filmkritik, Seite 25

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2009)

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