Aleksandar Vučić ist seit 25 Jahren der erste Präsident Serbiens, der bereits im ersten Durchgang die notwendige Mehrheit erhielt. Sein unbedingter Machtwille macht manchen Sorgen.
Belgrad. Sein letzter Wahlsieg liegt kein Jahr zurück. Doch trotz einer satten Parlamentsmehrheit für seine Regierung drängt Serbiens nationalpopulistischer Premier Aleksandar Vučić mit aller Macht ins eigentlich eher repräsentative Präsidentenamt: Es ist die Furcht, dass ein anderer Kandidat seiner Partei die Wahlen verlieren könne, die den machtbewussten SNS-Chef den scheinbar widersinnigen Jobwechsel planen ließ.
Den wird er auf jeden Fall erfolgreich vollziehen: Vucic konnte sich nach Auszählung von 91 Prozent der Wahllokale 55,13 Prozent der Stimmen bei der gestrigen Präsidentenwahl sichern. Seine Rivalen, den früheren Ombudsmann Saša Janković, Ex-Außenminister Vuk Jeremić und den Parodie-Kandidaten „Ljubisa Überflieger“, hat er damit klar geschlagen und muss in keinen zweiten Wahldurchgang.
Eine Selbstentmachtung hat der einstige Informationsminister des verstorbenen Ex-Autokraten Slobodan Milošević aber keineswegs geplant. Im Gegenteil: Statt von der Regierungsbank will der 47-Jährige sein Land künftig vom Präsidentenpalast führen. Der EU-Anwärter Serbien ist aber keine Präsidialdemokratie. Wie sich Serbien am lästigen Parlament vorbei mit Hilfe eines hörigen Strohmannes auf der Regierungsbank steuern lässt, hatte bereits Ex-Präsident Boris Tadić in seiner zweiten Amtszeit (2008 bis 2012) eher erfolglos vorexerziert.
Suche nach gefälligem Premier
Es sind aber nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken, sondern auch der autoritäre Charakter und unbedingte Machtwille des allgewaltigen Vučić, der die zersplitterte Opposition vor der Zementierung eines vom Parlament kaum mehr zu kontrollierenden Führersystems warnen lässt. Nach dem Sieg hat Vučić bis zur Übernahme des Präsidentenamts vom abtretenden Staatschef Tomislav Nikolić im Mai Zeit, einen Nachfolger für das geplante Regieren per Fernbedienung zu küren. Das Abtreten von Macht und die Delegation von Aufgaben fällt dem Kontrollfanatiker jedoch schwer. Vučić umringe sich mit so unfähigen Mitstreitern, dass er „Minister für fast jedes Ministerium“ sein müsse, spöttelt der ultranationalistische SRS-Chef Vojislav Sešelj über seinen Ex-Zögling.
Bei der Wahl eines Nachfolgers stünde Vučić vor drei Optionen, die aber allesamt auch mit Nachteilen verbunden sind. Bei der Entscheidung für einen hörigen Partei-Vasall wie Innenminister Neboj?sa Stevanović würde Vučić zwar über einen loyalen Lautsprecher, aber nicht allzu kompetenten Stellvertreter verfügen: Dieser könnte der Opposition mehr Angriffsfläche bieten – und bei den Koalitionspartnern auf Widerstand stoßen. Die Installierung eines parteilosen Technokraten ohne politische Ambitionen wie Finanzminister Dušan Vujović dürfte seine SNS-Diadochen verstimmen. Anbieten könnte sich auch eine Amtsübernahme des Sozialistenchefs und früheren Premiers Ivica Dačić. Doch nicht nur der Widerstand seiner SNS, sondern auch die Statur des derzeitigen Außenministers dürfte aus Sicht von Vučić gegen die erneute Beförderung seines Vorgängers ans Regierungsruder sprechen: Ehrgeizige Machthaber dulden nur ungern andere Götter neben sich.
„Das Spektakel geht jetzt erst los“
Abseits des Wahlergebnisses ist eines bereits gewiss: Mit ruhigeren Zeiten wird in Belgrad kaum gerechnet. Außer dem Stühlerücken im Kabinett erwarten Analysten auch Umgruppierungen im Lager der zerstrittenen Opposition: Vor allem den parteilosen Kandidaten Janković und Jeremić wird nachgesagt, die Gründung neuer Parteien zu planen. Die 2018 anstehende Kür des Belgrader Oberbürgermeisters könnte Vučić derweil veranlassen, seine Landsleute zum dritten Mal in Folge zu verfrühten Parlamentswahlen an die Urnen zu zwingen. Denn in der Hauptstadt steht seine SNS vergleichsweise schwach da. Zeit zum Aufatmen werde den Serben auch nach den Präsidentschaftswahlen kaum vergönnt, orakelt denn auch das Wochenblatt „NIN“: „Das Spektakel geht jetzt erst los.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2017)