Am Freitag kommt Papst Franziskus nach Ägypten, um mit der islamischen al-Azhar-Universität in einen Dialog zu treten. Warum ein alter Maulbeerfeigenbaum in Kairo ein gutes Symbol für seinen Besuch darstellt.
Kairo. Mitten in Matariya, einem Armenviertel im Norden Kairos, liegt wohl eine der kuriosesten christlichen Pilgerstätten der Welt. Dort steht im Schutz einer Ziegelmauer der Marienbaum. Hier soll nach biblischer Überlieferung die Heilige Familie bei ihrer Flucht nach Ägypten einst Rast eingelegt haben. Der alte Maulbeerfeigenbaum besteht aus mehreren kahlen, fast horizontal verlaufenden Stämmen, mit staubigen Plastikplanen abgedeckt, aus dem an einigen wenigen Stellen neue grüne Zweige austreiben. Kurzum, der heilige Baum hat schon bessere Tage erlebt. Das ursprüngliche Gewächs ist lange abgestorben, aber seine Ableger leben weiter. Bei der heutigen Maulbeerfeige soll es sich um die siebte Generation des ursprünglichen Baumes handeln. Daneben gibt es bis heute den Brunnen, in dem Maria Jesus angeblich gewaschen hat. Eine Straße weiter befindet sich die „Kirche der Heiligen Familie“. Eine der wenigen katholischen Gotteshäuser des Landes. Rund 250.000 Katholiken leben in Ägypten, eine Minderheit innerhalb der christlichen Minderheit, die zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die Mehrheit der Ägypter ist freilich muslimisch.
Ehemalige Hochburg der Muslimbrüder
In der Kirche ist an Wandbildern die Reise der Heiligen Familie nach Ägypten dargestellt. Laut biblischer Darstellung ist Jesus dem Kindermord in Bethlehem entgangen, den König Herodes angeordnet hatte, weil ein Engel die Familie gewarnt hatte. Die war daraufhin ins benachbarte Ägypten ausgezogen. Und da kam der Maulbeerfeigenbaum von Matariya ins Spiel. Es wirkt friedlich. Die Anschläge auf die koptischen Kirchen am Palmsonntag im der Nildeltastadt Tanta und in Alexandria, bei denen 47 Menschen ums Leben kamen und für die die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verantwortlich gezeichnet hatte, scheinen weit weg. Dem IS ging es bei den Anschlägen ohnehin nicht um die Verfolgung der Christen, als vielmehr um eine Destabilisierung des Regimes. Die Christen sind ein einfaches Ziel, mit jedem Attentat wird unter Beweis gestellt, dass der Sicherheitsapparat sie nicht schützen kann.
Auch dass es vor vier Jahren in Matariya, einer damaligen Hochburg der Muslimbrüderschaft, regelmäßig blutige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gab, ist heute beim Baum nicht mehr spürbar. Nachdem der gewählte Präsident und Muslimbruder Mohammed Mursi gewaltsam seines Amt enthoben worden war und sich die koptische Kirche explizit hinter das Militär gestellt hatte, wurden damals auch viele Kirchen angegriffen. Auch die Kirche der Heiligen Familie wurde mehrmals freitags mit Feuerwerkskörpern beschossen. Aber das ist lange her.
Papstbesuch dauert 27 Stunden
Mit der unmittelbaren muslimischen Nachbarschaft gab es niemals Probleme, sagt Georg Suliman, der Pfarrer der Kirche, heute. „Der Marienbaum war immer sicher. Dem etwas anzutun würde niemand wagen, denn die gesamte muslimische Nachbarschaft beschützt den Baum“, erzählt er. „Manchmal ist der Wächter vor unserer Kirche krank. Ich lasse trotzdem alles offen, denn die muslimischen Nachbarn schützen die Kirche“, ist er sich sicher. „Es kommen auch viele Muslime den Marienbaum besuchen“, erzählt der Priester. Denn im Volksglauben bringen der Baum und dessen trockene Früchte Glück, für Christen und Muslime gleichermaßen.
Der katholische Priester kommt auch auf den Papst in Rom zu sprechen, der am 28. April für zwei Tage Ägypten besuchen wird. Auf seinem Programm steht ein Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah al-Sisi. Aber das Kernstück seiner Reise ist eine Friedenskonferenz an der islamischen al-Azhar-Universität bei der er zusammen mit dem Großscheich der al-Azhar-Universität, einer der wichtigsten Rechtsautoritäten im sunnitischen Islam, sprechen soll. Später trifft Papst Franziskus noch den koptischen Papst Tawadros II. Am Samstag feiert Franziskus einen Gottesdienst in Kairo, trifft danach ägyptische Bischöfe, Priester und Ordensleute. Der Aufenthalt in Ägypten dauert 27 Stunden.
Verbesserte Beziehung zum Vatikan
„Mit dem neuen Papst Franziskus haben sich die Beziehungen zwischen der al-Azhar und dem Vatikan wieder spürbar normalisiert. Vorher unter Papst Benedikt waren sie wegen dessen islamfeindlichen Äußerungen schon sehr angespannt“, fasst Pfarrer Suliman den Beginn eines neuen Kapitels zusammen, das die al-Azhar und der Vatikan nun aufschlagen wollen. Es begann mit einem Besuch des Großscheichs im Vatikan, gefolgt von mehreren Delegationen der katholischen Kirche bei der al-Azhar in Kairo. „Es geht um eine Annäherung zwischen beiden Religionen“, erklärt der Priester. Wir müssen weg von den menschlichen Interpretationen zurück zu den Grundlagen der beiden Religionen, die sich sehr gleichen“, plädiert er. „All diese Dialoge zwischen dem Papst und al-Azhar helfen nichts, solange sie in geschlossenen Räumen stattfinden“, ist Pfarrer Suliman überzeugt. „Wir müssen das auf die Straße bringen, sonst hat der ganze Dialog keinen Wert“, sagt er.
Glücksbringer für Muslime
Vielleicht ist der Marienbaum um die Ecke ein gutes Beispiel dafür. „Von diesem Baum geht ein Segen aus, für alle, die ihn hier in Ägypten besuchen. Das gilt für Christen und für Muslime“, meint Muheddin Muhammad, einer der muslimischen Wächter des Baumes. Die Muslimin und Arabischlehrerin Aziza Farag kommt gerade zufällig beim Baum vorbei. Auch sie lebt in der Nachbarschaft. Sie besuche den Marienbaum regelmäßig, erzählt sie. „Immer wenn ich dort reingehe, dann hebe ich die trockenen Früchte auf. Die sind gesegnet, das sind meine persönlichen Glücksbringer“, gibt sie einen in Matariya weit verbreiteten Volksglauben wider, der für Christen und Muslime Gültigkeit hat. Dann öffnet sie ihre Handtasche und holt dort all ihre gesammelten Glücksbringer raus: Mehrere Früchte des Marienbaumes, einen blauen Stein zum Schutz gegen den bösen Blick und einen silbernen Engel. Dann packt sie ihre eklektische Glücksbringer-Sammlung wieder ein und zieht lachend ihres Weges. Vielleicht ist Kairos Marienbaum und sein „interreligiöser Segen“, von dem sich Christen und Muslime gleichermaßen göttlichen Schutz erhoffen, auch ein gutes Symbol für den bevorstehenden Besuch des Papstes.