Lesefestwoche: Lesen im Musikantenstadl-Flair

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Mit einer Gala in Oktoberfest-Ambiente und Lesungen der heimischen Schriftsteller Franzobel und Eva Rossmann wurde die Lesefestwoche Wien eröffnet.

Da sitzen wir alle im Halbdunkeln. Ein paar von den Klugen, mehr von denen, die sich für klug halten, einige von den Prominenten und auch welche, die Erfolg haben – auf der Bühne ein Moderator, der viel und zu lange und zu selbstverliebt redet, so als ginge es nur um ihn.

Sie haben ganz gut gepasst, die ersten Zeilen aus Eva Rossmanns jüngstem Mira-Valensky-Krimi „Leben lassen“, aus dem die Autorin Montagabend zur Eröffnung der Lesefestwoche las. Während, tatsächlich im Halbdunkel, die Gäste, darunter Kluge und möglicherweise gar nicht so wenige, die sich dafür halten, lauschten und – aus Selbsterkenntnis? – über Rossmanns Zeilen schmunzeln mussten. Und nein, der Moderator des Abends, Roman Rafreider, hat eigentlich gar nicht viel und zu lange geredet.

Wie auch sonst fast niemand. Die obligatorischen langwierigen Eröffnungsreden blieben erfreulicherweise aus, bei der Gala, die Auftakt für eine Woche Vorlesen und Vorlesen-Lassen war. Wobei die Bezeichnung Gala wohl als ironisches Statement verstanden werden durfte, wurde sie doch von der Ortswahl konterkariert: das rustikal-volkstümliche Bierlokal XXL Café Restaurant mitten im Prater, zwischen Wettbüros und Autodromstationen, in dessen Oktoberfest-Hüttengaudi-Atmosphäre sich die heimische Literaturszene bisher wohl eher selten verirrt hat. Warum dann an diesem Abend? Vielleicht ist es die Nähe zum Messegelände, auf dem heute, Mittwoch, die Messe „Buch Wien“ eröffnet wird. Die Location entspricht aber auch der Intention der Lesefestwoche, ungewöhnliche Orte mit Literatur zu bespielen.

Ungewöhnlich für beide Seiten. So mancher Jugendliche mit Bierkrügerl quetschte sich erstaunt an Verlagchefs, Lektoren und Autoren vorbei, die in Nadelstreifanzug und Krawatte in der Musikantenstadl-Szenerie teils heillos overdressed wirkten.

„Wenn hier heute Abend Bücher wichtiger sind als Bier, dann ist das doch eine tolle Sache“, meinte Mathematiker Rudolf Taschner, der hier aus seinem neuen Buch „Rechnen mit Gott und der Welt“ lesen sollte, dieses aber daheim vergessen hatte. „Ich hab ohnehin alles im Kopf“, meinte er und schwärmte stattdessen vom „großen Wunder“, dass seine Sachbücher zum eher unbeliebten Thema Mathematik immer wieder Bestseller werden.

Als danach Franzobel aus seinem Werk „Österreich ist schön. Ein Märchen“ las, erfuhren die Gäste dass er (respektive sein Icherzähler) am Tag, an dem Jörg Haider verunglückte, eine Hoden-OP hatte. „Österreich hat“, so Franzobel, „an diesem Tag zwei rechte Eier verloren.“

Bevor DJ Paul Divjak an die Turntables und Sängerin Gustav vor das Mikrofon gelassen wurden, gab es noch einen „Club 2 für Arme“ (Rafreider) mit den drei Autoren, bei dem auch über den Sinn einer Buchmesse in Wien diskutiert wurde. Bei der Frankfurter Buchmesse, erzählte Franzobel, sei er sich immer vorgekommen „wie ein gezüchtetes Hendl auf einer Kleintiermesse, auf der es immer noch größere Hähne gab.“ Wien, so hofft er „wird das sicher charmanter machen“.

Thema war auch das 20-Jahre-Mauerfall-Jubiläum, das am selben Abend begangen wurde. Welches Buch sie am 9. November 1989 gelesen habe, wollte Rafreider wissen. Bei Rossmann war es ein John-Irving-Roman, bei Taschner ein Thriller von John Le Carré. Und bei Franzobel? „Da war gerade mit einer Freundin Schluss. Da hatte ich wichtigere Dinge im Kopf als den Mauerfall.“ Oder Bücher. Und die im Halbdunkeln, die Klugen und die, die sich für klug halten, lachten.

Auf einen Blick

Bis Sonntag, 15.11., finden die Lesefestwoche und die Buch Wien (Eröffnung Mittwoch abend) statt. Am Donnerstag werden auf der Messe (12Uhr, Halle D) als heurige Gratisbuchaktion 100.000 Ausgaben von Irvin D. Yaloms „Und Nietzsche weinte“ verteilt.

www.buchwien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2009)

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