Unterwegs

Speisekarten ferner Länder

Erdkröte
Erdkröte(c) imago/blickwinkel (imago stock&people)
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Was der Bauer nicht kennt, das bestellt er nicht: meine Devise, nach schlimmen Erfahrungen mit den Speisekarten ferner Länder.

Am Eingang des Lokals stand ein Aquarium. Ich hätte ihm schon bei der Ankunft mehr Beachtung schenken sollen. So aber vertraute ich meinen Gastgebern in Taiwan und verzehrte die mir ans Herz gelegte Spezialität. Von außen sah sie wie ein Backhendl aus, im Mund fühlte sie sich aber eher wie ein panierter Badeschwamm an.

Als wir gingen, erspähte ich durchs trübe Grün der Algen schemenhaft, was ich mir soeben einverleibt hatte: fette, alte Kröten. Es folgte, bei meinem Initiationsritus in volkstümlichen Tempeln fernöstlicher Kulinarik: tausendjährige Eier, ein fermentierter Tofu, der zum Himmel stank – und endlich, in der Snake Alley von Taipeh, das Blut der frisch gehäuteten Schlangen. In einem Stamperl serviert, soll es die Potenz ungemein fördern, zumal bei Zugabe von ein, zwei Tropfen Gift aus dem Rachen des Tieres. Wie sollte ich mich dagegen wehren, wo es doch alle so gut mit mir meinten? Ich war jung, ich war kein Star, und keiner holte mich da raus.

Seitdem halte ich mich mit experimenteller Speisenwahl sehr zurück. Pannen passieren trotzdem. Wie in diesem sündteuren Lokal in Süddeutschland: Ich optierte für die einzig erschwingliche Speise, „Saitenwurst“ um 26 Euro. Aber die erhoffte rustikale Spezialität entpuppte sich als hundsordinäre Frankfurter. „Schmecken Ihnen unsere Würstchen nicht?“, fragte mich der Kellner rotzfrech, weil ich den Fraß nicht vollständig vertilgt hatte. Wie gern hätte ich ihm da das Maul gestopft – auf taiwanesische Art, mit Krötenbein und Schlangenblut. Falls Sie gerade frühstücken: Guten Appetit!

karl.gaulhofer@diepresse.com

Nächste Woche: Gabriel Rath

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2017)

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