Die Leiden der Genossen im Siebzehnten

Bürgermeister Michael Häupl
Bürgermeister Michael Häupl APA/HERBERT P. OCZERET
  • Drucken

In der Vorstadt. Die Nachwehen der Streichorgie beim Wiener SPÖ-Landesparteitag waren beim Maiaufmarsch auch an der roten Basis zu spüren.

Wien. Ein Umleitungsschild zwingt die rund 70 Genossen aus Hernals, dem 17. Wiener Gemeindebezirk, auf die Nebenfahrbahn der Hernalser Hauptstraße. Kurz nach 8.30 Uhr hat sich die Gruppe, ausgestattet mit roten SPÖ-Fahnen, an diesem 1. Mai auf den Weg zur großen Kundgebung auf den Rathausplatz gemacht.

Die Baustelle in der Wiener Vorstadt bei der Vorortelinie wegen des Austausches von Betonfeldern bei den Geleisen der Straßenbahnlinie 43 liefert ungewollt ein Zustandsbild der Wiener SPÖ nach der Abreibung für die Führung um Bürgermeister Michael Michael und Co. beim SPÖ-Landesparteitag am vergangenen Samstag: eine Straße mit Lücken, links und rechts Material, Absperrgitter, die den Zugang zur anderen Seite der gemeinsamen breiten Straße versperren, Orientierungsprobleme wegen der Unübersichtlichkeit.

Im Park der Freiheit bei der Station der Schnellbahnlinie 45 unmittelbar bei der Hernalser Hauptstraße sammeln sich nach und nach die roten Unentwegten, die auch schon die Jahre davor von hier aus den Marsch auf den Rathausplatz zur SPÖ-Kundgebung angetreten haben. „Hoch der 1. Mai“, prangt schwarz auf weiß auf einem kleinen Rednerpult. Trotzig wirkt die Parole gerade angesichts des beim Landesparteitag mit den Streichungen in der Wahlzelle heimlich ausgetragenen Kampfes zwischen dem linken Flügel der Innenstadtbezirke und der rechten roten Basis in den Flächenbezirken am Stadtrand.

„Dass a paar nicht ganz dicht san . . .“

Freude hat ein Funktionär der roten Wiener Kinderfreunde, der hier mitgeht, mit dem Bild der Zerstrittenheit, das vom Wiener Landesparteitag geblieben ist, keine, auch wenn er versichert: „Des is a normaler Parteitag.“ Sein Nachsatz spricht dennoch Bände: „Dass a paar net ganz dicht san, damit miass ma leben.“ Gleichzeitig wirft er den Blick hoffnungsvoll auf die nächste Wiener Gemeinderatswahl, die 2020 ansteht, voraus: „Ich bin überzeugt, wenn es vor der Wahl ist, wird das anders werden.“ Es klingt so trotzig wie der „Hoch der 1.Mai“-Schriftzug auf dem Rednerpult.

In der Wiener SPÖ ist man nach dem Streichkonzert der Delegierten beim SPÖ-Landesparteitag um Beruhigung bemüht. Der stellvertretende Klubchef im Parlament und rote Bezirksparteichef von Hernals, Josef Cap, formuliert das in seiner kurzen Ansprache vor seinen Genossen bezogen auf die Flügelkämpfe in der Wiener Landespartei so: Inhaltliche und strategische Fragen zu diskutieren, sei im Rahmen einer Partei „ganz natürlich“. Zugleich mahnt er allerdings fast beschwörend: „Am Ende des Tages muss nach einer Debatte wieder Gemeinsamkeit da sein.“

Bezirksparteichef Josef Cap

Die unerquickliche rote Realität kann der langgediente SPÖ-Parlamentarier aber auch nicht ignorieren. Er wolle gar nicht „herumreden“, so Cap, man solle sich aber auch nicht verunsichern lassen. Es werde weiter die eine oder andere „Anmerkung“ geben. Dennoch werde die Wiener SPÖ die modernste und am meisten gestaltungsfähige Partei der Stadt sein. Wien sei trotz der Probleme etwa mit der Arbeitslosigkeit im Vergleich zu anderen Großstädten ein „Supermodell“. Auch das klingt so trotzig wie die 1.-Mai-Parole auf dem Pult vor Cap.

Der Kontrapunkt zur gedrückten Stimmung ist ein kurdisch-türkisches Paar, das mit seiner kleinen Tochter im Kinderwagen zu den Hernalser Roten gestoßen ist. „Wir haben mit der SPÖ gar nichts zu tun, außer dass man sie hin und wieder wählt“, verrät die Frau. Die Eltern des Paares sind einst als Gastarbeiterfamilien nach Österreich gekommen. Und warum sie dann hier bei der SPÖ-Maikundgebung sind? Weil sie von den sozialen Errungenschaften der Sozialdemokratie profitiert haben, betonen sie mit einer Mischung aus Stolz und Dankbarkeit.

Kurdisch-türkisches Paar aus USA

Der Mann ist inzwischen Arzt und war zuletzt mit der Familie länger in den USA: „Uns sind dadurch sozialdemokratische Werte schon sehr bewusst geworden.“ Es sind Sozialleistungen wie der längere Karenzurlaub, der in Österreich längst als selbstverständlich angesehen wird. Über die internen Streitigkeiten in der Wiener SPÖ kann das kurdisch-türkische Paar an diesem 1. Mai nur unverständlich den Kopf schütteln: „Die brauchen keine Opposition, die machen das schon selbst.“

(Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

1. Mai-Kundgebung der FPÖ in Linz: Strache / Haimbuchner
Innenpolitik

FPÖ wettert gegen "Faymann mit Sonnenbrille"

Die Freiheitlichen demonstrieren in Linz Einigkeit. Die ÖVP besucht Menschen, die am 1. Mai arbeiten. Und die Grünen fordern einen Mindestlohn, der Frauen aus der Armutsfalle befreit.
Leitartikel

1. Mai 2017: Auf zum letzten Gefecht

Hat die Sozialdemokratie ihre beste Zeit hinter sich? Das sicher. Hat sie noch Zukunft? Christian Kern jedenfalls hat die Zeichen der Zeit einmal erkannt.
Die schlechten Ergebnisse für Michael Häupl bedeuten nichts Gutes für Kanzler Chrisitan Kern
Innenpolitik

Politologen sehen schwarz für den roten Parteichef

Die Spaltung der Wiener SPÖ unter Bürgermeister Michael Häupl ist das schlechteste, was Parteichef Christian Kern passieren konnte. Jetzt gilt ausgerechnet Niederösterreich als einziger Hoffnungsschimmer der Roten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.