Fall Kampusch: Neue Aussagen von Ernst H.

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Ernst H., ein ehemaliger Freund des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil, wird am Freitag erneut aussagen. Als Beschuldigter dürfte er eigentlich auch schweigen. An Ungereimtheiten mangelt es nicht.

WIEN. Er wurde ausführlich von der Polizei einvernommen – doch brisante Fragen sind offengeblieben. Möglicherweise hat Ernst H. (46) bisher nicht die volle Wahrheit gesagt. Diesen Eindruck hat der für die Aufklärung des Entführungsfalles Natascha Kampusch eigens abgestellte Grazer Chefankläger Thomas Mühlbacher. Seit gegen H., den seinerzeitigen Freund und Geschäftspartner (Baufirma) des Entführers Wolfgang Priklopil, wegen des Verdachts der Mittäterschaft ermittelt wird, hat dieser das Recht zu schweigen. Tut er aber nicht. Am Freitag sagt H. erneut aus.

Der Unternehmer H. – er betreibt eine Veranstaltungshalle in Wien-Liesing – lässt sich seit wenigen Tagen von Staranwalt Manfred Ainedter vertreten. Dieser erklärt der „Presse“ nach „grober Durchsicht des Aktes“, dass an den Vorwürfen in Richtung Mittäterschaft an der Freiheitsentziehung „nichts dran“ sei. H. werde nach derzeitiger Einschätzung nie als Beschuldigter vor Gericht landen.

Mehrere Ungereimtheiten

Auch eine Mitwisserschaft sieht Ainedter nicht. Rechtlich ist diese Frage durchaus heikel. Wenn H. – wie er beteuert – nicht an der Entführung mitgewirkt hat, so könnte ihn auch ein etwaiges Wissen um die Geschehnisse vor den Richter bringen. Laut § 286 Strafgesetzbuch macht sich auch strafbar, wer es mit dem Vorsatz, dass eine (vorsätzliche) Straftat begangen werde, unterlässt, ihre „schon begonnene Ausführung zu verhindern“ – oder „der Behörde (...) mitzuteilen“.

Ungereimtheiten in Sachen H. liegen durchaus vor – so gibt der Verdächtige etwa an, dass ihn Priklopil nach der Flucht von Natascha Kampusch angerufen habe. Die beiden waren dann an die sechs Stunden zusammen. Anstatt eine Lebensbeichte abzulegen, soll Priklopil eine Story erfunden haben: Er sei alkoholisiert mit dem Auto in eine Polizeikontrolle geraten und davongerast. Kurz darauf beging er Selbstmord.

Der Polizei erklärte H. unter anderem, dass Priklopil ihn einst gefragt habe, ob er, H., helfen könne, eine Geburtstagstorte mit der Zahl 18 aufzutreiben. Priklopil habe gemeint, er brauche die Torte für seine hilfsbereite Nachbarin. Das war zu der Zeit, als Natascha Kampusch in Gefangenschaft 18 Jahre alt wurde.

Und: Nach der Flucht von Natascha Kampusch führte diese mit Ernst H. ausführliche Telefonate.

Alles Dinge, die nun erneut von der Polizei hinterfragt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2009)

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