Die Kanzlerin hat wieder Oberwasser. Aber das kann sich ändern.
Im Vergnügungspark in Sierksdorf an der Ostsee gibt es an diesem Nachmittag eine neue Attraktion. Vorübergehend. Sie misst 1,65 Meter, trägt – wie immer – einen Blazer, Farbe rosa, und hat – wie immer häufiger – gute Laune. „Die hab ich mir aber größer vorgestellt“, sagt ein Mädchen kichernd über Kanzlerin Angela Merkel. „Sieht aus wie im Fernsehen“, urteilt ein Mann mit tiefer norddeutscher Stimme. Hier in Schleswig-Holstein wählen sie heute, am Sonntag, einen neuen Landtag. Und deshalb ist die wahlkämpfende Kanzlerin im Hansa-Park zu begutachten am CDU-Familientag. Auch Flüchtlinge wollen einen Blick erhaschen. „Frau Merkel“, ruft ein syrischer Bub, als sie eine Torte anschneidet. Irgendwann sitzt Merkel im größten Strandkorb der Welt, Hände gefaltet. Das Bild passt. Es heißt ja, sie sitze alles aus.
Die 62-jährige Frau, die aus dem Strandkorb in die Kameras lächelt, sieht erholt aus. Dabei hat sie die schwersten Jahre ihrer Kanzlerschaft in den Knochen. Der Kontrollverlust in der Flüchtlingskrise, der Aufstieg der AfD, das Zerwürfnis mit der CSU, dann noch der Hype um SPD-Chef Martin Schulz, der plötzlich in der Kanzlerfrage vor Merkel lag: Beobachter orakelten über eine Merkel-Dämmerung.
CDU wieder obenauf. Der Wind hat sich inzwischen gedreht – und zwar genau am 26. März, als Merkels Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer im kleinen Saarland einen Wahltriumph für die CDU einfuhr. Davor wurde jeder Betriebsbesuch von Martin Schulz zum Mediengroßereignis. Danach wurde es ruhig um den SPD-Chef. Die Kameras sind wieder auf Merkel gerichtet, zum Beispiel, wenn sie mit Putin in Sotschi verhandelt oder Ivanka Trump in Berlin empfängt. Es gibt immer gute Bilder. Das ist der Kanzlerbonus. Auch die AfD schwächelt inzwischen. Und Horst Seehofer, CSU-Chef, kriegt sich im Wahlkampf mit Lob für Merkel kaum noch ein. Die SPD hat man abgehängt. Aber das Momentum kann eben wieder wechseln, zum Beispiel, wenn nächste Woche Nordrhein-Westfalen wählt, das größte Bundesland, oder eben heute, am Sonntag, in Schleswig-Holstein, „dem echten Norden“ (Slogan), den Tourismus und Landwirtschaft prägen, in dem sich zahllose Windräder drehen und wo einer Umfrage zufolge die zufriedensten Deutschen leben. Die CDU betreibt hier die Abwahl des Bündnisses aus SPD, Grünen und Minderheitenpartei SSW, also der Küstenkoalition vulgo „Dänen-Ampel“. Und Merkel soll dabei helfen.