Landtagswahl

Nächste SPD-Pleite: Schulz-Zug legt im Norden Vollbremsung hin

Martin Schulz und Torsten Albig während des Wahlkampds im "Schulz-Zug"
Martin Schulz und Torsten Albig während des Wahlkampds im "Schulz-Zug"APA/dpa/Kay Nietfeld
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Die SPD-geführte „Dänen-Ampel“ wird im nördlichsten Bundesland Schleswig-Holstein abgewählt. Die CDU gewinnt deutlich.

 Berlin/Kiel. Martin Schulz erster Traum war Fußballprofi. Er scheiterte wenn nicht am Talent dann an einem kaputten Knie. Der zweite Traum des nunmehrigen SPD-Chefs ist der von der Kanzlerschaft: Er lebt noch. Aber es steht in der Fußballersprache 0:2.
Nach der Landtagswahl-Pleite im kleinen Saarland hat die SPD gestern in Schleswig-Holstein eine weitere Niederlage erlitten, die so kaum ein Genosse auf dem Zettel hatte: Die oppositionelle CDU kam in Hochrechnungen auf 32,5 Prozent (plus 1,7), die SPD verlor kräftig – 26,8 Prozent (minus 3,6). „Das ist etwas, das unter die Haut geht“, sagte Schulz gestern. Er wirkte angeschlagen. Denn die Pleite im nördlichsten Bundesland mit seinen 2,3 Mio. Wahlberechtigten wiegt schwerer als jene im Saarland: Diesmal hatte die SPD den Amtsinhaberbonus mit Ministerpräsident Torsten Albig, der eine „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und der dänischen Minderheitenpartei SSW anführte (die „Dänen-Ampel“). Schulz rollte zudem wahlkämpfend mit einem nach ihm benannten Zug durch den Norden. Drittens kämpfte die SPD gegen eine Landes-CDU, die sich mit Parteichef- und Spitzenkandidaten-Wechseln selbst zu demontieren schien.

Koalitionen: Jamaika oder Ampel

Es ist auch Merkels Sieg, mehr noch als Schulz'-Niederlage. 72 Prozent der befragten Wähler in Schleswig-Holstein sagten, sie seien mit der Arbeit der Kanzlerin zufrieden. Ein Top-Wert. Zum ersten Mal in Merkels zwölfjähriger Kanzlerschaft könnte die CDU nun ein Ministerpräsidentenamt aus der Opposition heraus gewinnen. Der Landeschef hieße dann Daniel Günther. Das ist bemerkenswert, der CDU-Spitzenkandidat ist eher ein Unbekannter. „Daniel wer?“, wurde in Deutschland gewitzelt. Erst vor sechs Monaten hatten sie den Landesfraktionschef in die erste Reihe gestellt. Der Ausdauerläufer mit der schmalen Brille galt als Verlegenheitslösung, auch an der eigenen Basis. Gestern spricht Günther vor einer berauschten Partei von der nächsten CDU-geführten Koalition. Bloß, mit wem?

Daniel Günther, CDU, bald Ministerpräsident?
Daniel Günther, CDU, bald Ministerpräsident?REUTERS

Im hohen Norden mit den bunten Strandkörben gibt es Farbenspiele. Das gängigste: Jamaika, also CDU-FDP-Grüne. Es gefällt der FDP, die mit ihrer weißbärtigen Allzweckwaffe Wolfgang Kubicki auf 11,4 Prozent zulegte (plus 3,2 Prozent). Er sehe nicht, wie die SPD „nach einer solchen Klatsche“ im Amt bleiben soll, sagte Kubicki, Wobei: Die Grünen ziehen die „Ampel“-Koalition vor, also SPD-FDP-Grüne. Ihr heimlicher Spitzenkandidat hieß Robert Habeck, Umweltminister mit besten Beliebtheitswerten. Auch wegen ihm hielten die Grüne Platz drei, und mit 12,9 Prozent annähernd ihr Ergebnis von 2012 (minus 0,3 Prozent). Eine kleine Sensation angesichts des Bundestrends, der steil nach unten weist. Die Bundesgrünen werden sich nun Fragen gefallen lassen müssen, ob sie nicht Habeck als Bundes-Spitzenkandidaten aufstellen hätten sollen. Er war haarscharf gescheitert.

Zurück zu den Koalitionsspielen: Ausgeschlossen wird von niemandem nichts (außer einer AfD-Beteiligung). Nicht einmal die Große Koalition, auch wenn sie Günther im Wahlkampf eine „Notlösung“ nannte. Der Verlierer des Abends, Ministerpräsident Albig, erwartet lange, schwierige Verhandlungen. Eine Ampel sei „denkbar“, sagte er gestern. Der 53-Jährige mit Glatze und Brille war als Landeschef eher Typ Pragmatiker. Ein einziges Mandat Mehrheit hatte seine „Dänen-Ampel“, die trotzdem relativ geräuschlos arbeitete, den Haushalt sanierte. Albig war kein unpopulärer Landeschef. Doch er machte Fehler, darunter ein unglückliches „Bunte“-Interview über sein Familienleben.

Nächster Halt Nordrhein-Westfalen

Inhaltlich bekam er bei den Themen Bildung und Infrastruktur Gegenwind. Die CDU fordert eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium und prangerte den stockenden Straßenausbau an. In der Flüchtlingspolitik hatte sich Albig geweigert, ausreisepflichtige Afghanen abzuschieben. Die AfD profitierte nicht, sie kam nur auf 5,9 Prozent. Die Linkspartei scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde (3,7 Prozent). Auch die Minderheitenpartei lag mit 3,4 Prozent darunter, für sie gilt aber keine Sperrklausel.

Es gibt nun eine gute und eine schlechte Nachricht für Schulz. Die gute: Das gestrige Ergebnis wird nächsten Sonntag vom Urnengang im größten Bundesland, Nordrhein-Westfalen, in den Hintergrund gestellt. Und während Schleswig-Holstein ein „strukturkonservatives Land“ sei, wie SPD-Generalsekretärin Katarina Barley meinte, gelte NRW als „Herzkammer der Sozialdemokratie“. Die schlechte Nachricht: Auch in NRW schwächelt die SPD. Und gestern gab es keinen Rückenwind.

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