Jeder zweite Grieche lebt von der Pension der Großeltern

APA/ROLAND SCHLAGER
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Dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras steht heute eine neue Bewährungsprobe bevor: Das Parlament in Athen berät über ein Reform-und Sparpaket mit Sparmaßnahmen in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro.

Die soziale Lage ist für viele Griechen weiterhin prekär. Rund die Hälfte der Haushalte in Hellas hält sich mit den Pensionen der Großeltern über Wasser. Das ergab eine Studie des Instituts GSEVEE (Hellenic Confederation of Professionals, Craftsmen & Merchants). Darin äußerten sich 73,5 Prozent der Befragten sehr pessimistisch über ihre zukünftige wirtschaftliche Lage.

Nur 5,1 Prozent glauben an eine baldige Verbesserung, der Rest zeichnet ein eher düsteres Bild für die Zukunft des Landes. 32,6 Prozent der Haushalte (also knapp 1,1 Millionen Haushalte) haben mindestens eine arbeitslose Person in der Familie. 16 Prozent der Haushalte erklärten, dass ihre Einkommen nicht ausreichen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.

22,4 Prozent aller Haushalte haben ein Mitglied in der Familie, das für einen offiziell festgelegten Mindestlohn von 586 Euro brutto (490 Euro netto) arbeitet. Zwei Drittel der Haushalte sind gezwungen, erhebliche Einschnitte zu machen, um ihr Überleben zu sichern. Mehr als ein Drittel der Haushalte (37,1 Prozent) erklärten, mit einem jährlichen Jahreseinkommen von unter 10.000 Euro auskommen zu müssen.

21,3 Prozent der Haushalte haben Schulden beim Finanzamt. 27,3 Prozent der Haushalte stehen bei Banken in der Kreide. Die Kredite, die griechische Haushalte aufgenommen haben, belaufen sich auf 94,8 Milliarden Euro. 67,2 Prozent davon sind Baudarlehen und 27,2 Prozent Konsumdarlehen.

Der Studie zufolge, haben die Banken schon 40 Prozent der Baudarlehen abgeschrieben. Allerdings hat jeder dritte Haushalt Angst vor dem Verlust des Eigenheims aufgrund von Steuerbelastungen oder aufgetürmten Verpflichtungen, so die Studie.

Laut der offiziellen Angaben des Europäischen Amts für Statistik Eurostat (Untersuchung der Einkommen und Lebensbedingungen der Haushalte) sank in Griechenland die Schwelle der relativen Armut von 7.178 Euro im Jahr (2010) auf 4.512 Euro im Jahr (2015).

Abstimmung über Sparpaket

Dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und seiner Koalitionsregierung steht am Donnerstag eine neue Bewährungsprobe bevor: Das Parlament in Athen berät über ein Reform-und Sparpaket mit Sparmaßnahmen in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro. Am späten Abend soll darüber abgestimmt werden.

Die Sparmaßnahmen sollen stufenweise von 2019 an in Kraft treten. Betroffen sind hauptsächlich Pensionisten und die Mittelschicht. Die Pensionen sollen ab 2019 um bis zu 18 Prozent gekürzt werden. Der jährliche Steuerfreibetrag soll zudem ab 2020 um rund ein Drittel gesenkt werden - von 8.636 Euro auf 5.700 Euro.

Die Billigung der neuerlichen Einschnitte ist Voraussetzung für weitere Hilfen von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischem Stablititätsmechanismus (ESM). Athen braucht bis Juli sieben Milliarden Euro, um frühere Schulden begleichen zu können. Andernfalls wäre das Land pleite.

Aus Protest gegen die Sparmaßnahmen hatten die größten Gewerkschaften Griechenlands am Mittwoch mit Streiks das öffentliche Leben lahmgelegt. Unter anderem streikten Lehrer, Ärzte, Beamte und Fluglotsen. Tausende Menschen gingen auf die Straßen und demonstrierten gegen die Sparpolitik. Auf Transparenten war "Wir verelenden" zu lesen.

Tsipras' Regierungskoalition hat eine knappe Mehrheit von drei Sitzen im Parlament. Beobachter rechnen trotzdem nicht mit Abweichlern - denn am Montag trifft sich die Eurogruppe, um über Griechenland zu beraten. Tsipras hofft, dass die Finanzminister dann die rund sieben Milliarden Euro freigeben, mit denen Athen im Juli seine Schulden bei EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) zurückzahlen will.

Griechenland ist seit 2010 auf internationale Hilfskredite angewiesen. Tsipras erwartet am Montag auch eine Konkretisierung der Maßnahmen, die zur Reduzierung des Schuldenberges führen könnten. Damit ist er auf einer Linie mit dem IWF. Dessen Chefin Christine Lagarde hat mehrfach gefordert, dass die Europäer Maßnahmen zur Entschuldung Griechenlands treffen. Nur dann werde der IWF weiter im Boot der finanziellen Retter Griechenlands bleiben. Mit dem Ergebnis der Abstimmung im Athener Parlament wird um Mitternacht deutscher Zeit gerechnet.

(APA)

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