Leitartikel

Warum Angela Merkel an Donald Trump scheitert

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Die US-Strategie der Kanzlerin geht nicht auf. Aber zum Glück ist Europa wieder in Mode. Zumindest in Berlin und Paris. Also wird der Kurs gewechselt.

In einem Bierzelt im bayrischen Trudering am Rande Münchens fallen keine Sätze von weltpolitischem Gewicht. Würde man meinen. Und Angela Merkel ist keine, die solche Einzeiler formuliert. Es kam anders. In Trudering. Mit Merkel. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei“, sprach die Kanzlerin. Das habe sie in den vergangenen Tagen erlebt (also beim Treffen mit Donald Trump in Brüssel und dann beim G7-Gipfel). Auf der Merkel-Skala ist dieser Schachtelsatz schon nah an der Entgleisung. Er hallt nun um die Welt als Beleg für das transatlantische Zerwürfnis. Das mag überzogen sein. Doch im Zweifel sagte die Kanzlerin zu Trump öffentlich vor Trudering nichts, und falls doch, packte sie ihre Sätze in so viel Watte, dass nur Allgemeinplätze blieben.

Schon möglich, dass auch Merkel in der Hitze des CSU-Bierzelt-Moments gesprochen hatte. Ihr Sprecher ruderte gestern etwas zurück. Wobei: Schon das Scheitern von G7-Klimaverabredungen an den USA hatte Merkel zuvor als „sehr unzufriedenstellend“ bezeichnet – auch das ein vernichtendes Urteil in der Merkel'schen Sprachwelt. Solche Sätze passieren der Kanzlerin nicht. Nicht auf dem Feld der Diplomatie.

In all den Jahren hatte die ewig Unterschätzte große Machos der Weltpolitik gezähmt – Silvio Berlusconi zum Beispiel. Für Trump legte sie sich wie so oft eine Politik der kleinen Schritte zurecht: Ein IWF-Frauenfonds mit Ivanka Trump hier, ein duales Ausbildungsprojekt dort. Klein-Klein im Merkel-Tempo, bis das Gegenüber eingelullt ist. Außerdem würde man ein paar Vorurteile in Trumps Umfeld entkräften, etwa erklären, dass Berlin die Währung nicht manipulieren kann, weil die EZB den Leitzins festlegt, dass Handelsverträge mit einzelnen EU-Staaten de iure nicht möglich sind, sondern nur mit der EU als Ganzes. Weiters der sanfte Hinweis, dass trotz aller US-Kritik am deutschen Leistungsbilanzüberschuss BMW der größte Autoexporteur der USA ist. Als Zugeständnis würden die Verteidigungsausgaben kräftig angehoben, wenn auch nicht auf das Nato-Langzeitziel von zwei Prozent des BIPs.

Nun hat Trump die Kritik an zu niedrigen Verteidigungsetats nicht erfunden. Und den deutschen Exportüberschuss halten auch IWF, Emmanuel Macron und Wolfgang Schäuble (!) für zu hoch. Dass Trump die deutsche Handelspolitik jedoch pauschal als „bad, very bad“ gegeißelt haben soll, dass Strafzölle nicht vom Tisch sind, dass er Merkel und ihre Nato-Kollegen wie Schulkinder belehrt, sie schuldeten den USA viel Geld: Das alles ist Beleg, dass die Kanzlerin den Mann mit der blonden Mähne nicht zähmen kann. Wundern darf sie das nicht. Schon 1980 erschien ein Interview, in dem Trump die Abzocke durch die Nato-Bündnispartner beklagte. Über Strafzölle dachte er 1990 nach. Es sind jahrzehntealte Glaubenssätze im Trump-Universum. Wieso sollte er sie jetzt aufgeben, im Alter von 70 Jahren, gestärkt durch einen Wahlsieg gegen alle Vorhersagen?

Also Brüssel. „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen“, sagte Merkel im Bierzelt und davor. Sie spürt, dass Brexit und Trump wie ein Verstärker für die proeuropäische Stimmung in Deutschland wirken. Und dann kam noch Macron. Die SPD gibt vier Monate vor der Wahl den natürlichen Bündnispartner des proeuropäischen Präsidenten in Paris, sie will mehr Geld für die EU, viel mehr. In diese Falle wird Merkel nicht tappen. Im Zweifel ist den Deutschen das Hemd näher als der Rock. Aber die Kanzlerin wird sich im Wahlkampf als Proeuropäerin mit Augenmaß positionieren. Auch so lässt sich der Bierzelt-Satz lesen.

Schon davor hat Merkel den Franzosen in Berlin umschmeichelt. (Ein bisschen) mehr Geld für die Eurozone? Eine EU-Vertragsänderung? Warum denn nicht, meint die Kanzlerin. Mehr Investitionen in Europa? Gern. Sie wird Macron Erfolg gönnen, weil sie den Proeuropäer in Paris braucht. Für ihre EU-Politik. Und für den Wahlkampf. Auch die Verzahnung der Armeen dürfte voranschreiten.

Und doch fußt Deutschlands Sicherheit als Ultima Ratio auf den USA, auf deren Atomwaffen – ob man das nun gut findet oder nicht. Am verstörendsten erschien daher manchem in Berlin, dass Trump die Nato-Beistandspflicht mit keinem Wort erwähnte.

E-Mails an:juergen.streihammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2017)

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