Rafael Nadal bei den French Open zu schlagen, gelang in den vergangenen 13 Jahren nur zwei Spielern. Dominic Thiem schickt sich an, im Halbfinale auch dieses Kunststück zu vollbringen.
Paris/Wien. Dominic Thiem steht heute (nicht vor 15.30 Uhr, live in ORF eins, Eurosport) im Halbfinale der French Open vor dem größten Spiel seiner bisherigen Karriere. Im Kampf um sein erstes Grand-Slam-Finale trifft der 23-Jährige auf dem Court Philippe Chatrier, dem größten Platz der Anlage, auf den neunfachen Paris-Sieger und Topfavoriten Rafael Nadal.
Thiem und Nadal sind die erfolgreichsten Sandplatzspieler dieser Saison, für viele Beobachter ist deren siebentes Duell (Head-to-Head 4:2 für Nadal) das vorweggenommene Finale. In Paris kreuzen sich die Wege der beiden zum bereits vierten Mal binnen weniger Wochen. In den Finalspielen von Barcelona und Madrid gewann Nadal, ehe Thiem im Rom-Viertelfinale für die bislang einzige Sandplatzsaisonniederlage des Spaniers verantwortlich zeichnete. Im Foro Italico spielte der Niederösterreicher das vielleicht beste Spiel seines Lebens, schlug Winner aus allen Lagen, nahm Bälle früh – und mit viel Risiko. Thiems Mut wurde gegen einen, an diesem Tag nicht auf allerhöchstem Level agierenden Gegner belohnt. Auch Trainer Günter Bresnik sprach später von einem „nahezu perfekten Match“.
„Muss Supertag erwischen“
In Paris kommt es drei Wochen nach Rom nun zum erneuten Vergleich. Thiems Spiel wird zwangsläufig ausgesprochen offensiv ausgerichtet sein, er muss erneut riskieren, vielleicht noch mehr als in Rom. „Ich muss einen Supertag erwischen“, gibt sich der Niederösterreicher, der zum zweiten Mal in Folge im Halbfinale der French Open steht, keinen Illusionen hin. Doch einen Tag wie in Rom, an dem praktisch alles funktionierte, habe er vielleicht drei Mal im Jahr, das gestand er ehrlich.
Allerdings, Thiems Marschroute gegen Nadal ist alternativlos. Das ÖTV-Ass muss noch schneller, weitaus aggressiver als sein Kontrahent spielen, versuchen, vor dem Mallorquiner die Initiative zu ergreifen. Wer auf dem weitläufigen Court Philippe Chatrier zu passiv wird, der ist verloren. Beide Spieler verstehen es blendend, mit ihrer Vorhand Punkte zu kreieren und zu vollenden, jene von Nadal bezeichnet Thiem als „eine der besten Schläge in der Geschichte des Sports“. Die Wucht von Nadals Vorhand permanent zu unterbinden, sei ein Ding der Unmöglichkeit. „Nein, man kann sie nicht immer verteidigen. Ich werde wohl ein paar Winner hinnehmen müssen.“ Von enormer Wichtigkeit dürfte daher auch der Start in dieses Match sein. Nadal gilt als einer der besten „Frontrunner“ des Spiels. Liegt der 31-Jährige erst einmal in Führung, ist er kaum noch aufzuhalten.
Söderling, Djoković – Thiem?
Dominic Thiem steht unbestritten vor einer ganz besonderen Aufgabe. Nadal auf Sand in einem Best-of-Three-Match zu schlagen, ist schon eine gewaltige Herausforderung. Den neunfachen French-Open-Champion aber auf Pariser Asche in einem Best-of-Five-Match zu bezwingen, ist die wohl größte Herausforderung, die der Tennissport derzeit zu bieten hat.
In den vergangenen 13 Jahren gelang das nur Robin Söderling (2009) und Novak Djoković (2015). Thiem sagt: „Ich gehe mit einem guten Gefühl in dieses Spiel.“
AUF EINEN BLICK
Dominic Thiem trifft heute (nicht vor 15.30 Uhr, live in ORF 1, Eurosport) im Halbfinale der French Open auf Rafael Nadal. Der 23-Jährige erreichte bereits im Vorjahr die Vorschlussrunde in Paris, scheiterte dort aber an Novak Djoković, den er heuer im Viertelfinale bezwang. Das erste Halbfinale (12.50 Uhr, live in ORF 1, Eurosport) bestreiten Andy Murray (GB) und Stan Wawrinka (SUI).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2017)