Thiem: Die große Aufgabe, Leistungen zu bestätigen

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Nach seiner beeindruckenden Vorstellung gegen Novak Djokovic scheiterte Dominic Thiem im Paris-Halbfinale deutlich an Rafael Nadal. Für einen Grand-Slam-Titel fehlt es dem 23-Jährigen noch an Konstanz.

Der Erfolgslauf von Dominic Thiem bei den French Open in Paris hat Freitagabend ein abruptes Ende genommen. Der Niederösterreicher musste sich im Halbfinale Rafael Nadal nach 2:07 Stunden Spielzeit überraschend deutlich mit 3:6, 4:6, 0:6 geschlagen geben und scheiterte damit wie im Vorjahr beim Kampf um den Einzug ins Endspiel. In diesem trifft Nadal am Sonntag (15 Uhr, live in ORF 1, Eurosport) auf den Schweizer Stan Wawrinka, der Andy Murray mit 6:7 (6), 6:3, 5:7, 7:6 (3), 6:1 bezwang.

Thiem wurde den hohen Erwartungen in seinem zweiten Grand-Slam-Halbfinale nicht gerecht, dabei hatte ein Break gleich zu Beginn des Matches viel Mut gemacht. Doch der 23-Jährige fand in einer letztlich einseitigen Begegnung niemals zu seinem Schlagrhythmus, der immer wieder von Fehlern durchbrochen wurde. Thiem war mit einer klaren Idee ins siebente Duell mit Nadal (Head-to-Head 2:4) gegangen. Der Weltranglistensiebente wollte, ähnlich wie bei seinem Sieg in Rom, mit hohem Risiko spielen, die Bälle früh nehmen, aggressiv zu Werke gehen.

Die Fragen nach der Niederlage

Noch bevor das erste Halbfinale zwischen Wawrinka und Murray im Gange war, hatte sich Thiem um die Mittagszeit am Court Philippe Chatrier, dem mit elf Metern Auslauf hinter der Grundlinie größten Platz der Welt, für den Hit eingeschlagen. Auffällig war dabei, wie Thiem versuchte, die Bälle frühestmöglich im Aufsteigen zu spielen, damit Druck auszuüben und den Topspin des Gegners gar nicht erst zur vollen Entfaltung kommen zu lassen. Thiem hatte sich in Absprache mit Coach Günter Bresnik diesen Matchplan zurechtgelegt, bloß, es scheiterte kläglich an dessen Umsetzung.

Das ÖTV-Ass wirkte auf der anschließenden Pressekonferenz nachdenklich: "Ich war heute weit davon entfernt, mein bestes Tennis zu spielen. Warum, weiß ich nicht. Es ist enttäuschend." Bresnik nannte zwar Gründe für die Niederlage ("schlechter Aufschlag, Rückhand nicht vorhanden, er konnte zu selten agieren, musste zu oft reagieren"), den Leistungsabfall selbst wusste aber auch er nicht zu erklären. "Müde kann er nicht gewesen sein."

Was Champions auszeichnet

Thiem, das hatte er im Vorfeld betont, würde im Halbfinale einen „Supertag“ benötigen, um Nadal hierin Paris tatsächlich gefährlich werden zu können. Das war kein Understatement, sondern eine vernünftige Einschätzung. Von einem solchen „Supertag“ aber war der Niederösterreicher weit entfernt, er konnte nicht ansatzweise an die vorangegangene Leistung gegen Djokovic aus dem Viertelfinale anschließen.

Ein Problem, das Thiem mittlerweile bekannt ist. Auch gegen Nadal in Barcelona (nach Sieg über Murray) und gegen Djokovic in Rom (nach Sieg über Nadal) konnte er seine Bestform im darauffolgenden Match nicht abrufen. "Aber heute war ich weder mental leer noch hat der Chatrier (Center Court mit elf Metern Auslauf hinter der Grundlinie, Anm.) den Unterschied ausgemacht. Ich kann nur rätseln." Man muss sich damit arrangieren, dass derartige Leistungsschwankungen gegenwärtig noch zu Thiems Repertoire gehören. Top-Leistungen und Siege wöchentlich und speziell auf der größten Bühne zu wiederholen, auch das ist ein Qualitätsmerkmal der absoluten Weltklasse. Für Nadal ist diese Herausforderung längst zur Gewohnheit geworden, Thiem beginnt sich erst langsam daran zu gewöhnen. Dem 23-Jährigen stehen noch viele große Matches in seiner Karriere bevor, das ist unbestritten.

Unabhängig von der Enttäuschung gegen Nadal verlässt Thiem Paris als besserer und abermals gereifter Spieler. Er bestand die Prüfung, erstmalig ein Grand-Slam-Halbfinale verteidigen zu müssen, mit Bravour, schlug im sechsten Duell nun auch endlich Djokovic. Noch vor sechs Jahren war der Juniorenspieler Thiem in Paris staunender Trainingsgast von Nadal, mittlerweile ist er zu einem Dauerrivalen (vier Duelle bei den jüngsten vier Turnieren) gereift. Der Spanier sagt: „Ich bin mir sicher, dass Dominic in den nächsten Jahren um die großen Titel spielen wird.“

Wawrinka, Mr. 100 Prozent

Im Finale ist Nadal, der ohne Satzverlust in sein 22. Grand-Slam-Endspiel (14 Titel) einzog, zweifelsohne zu favorisieren. Der Spanier strebt nach „La Decima“, seinem zehnten Triumph in Paris. Doch auch sein Herausforderer, Stan Wawrinka, kennt das Gefühl des Erfolgs im Stade Roland Garros.

Vor zwei Jahren hatte der Schweizer in einem hochklassigen Duell Djokovic abgefertigt. Was Wawrinka außerdem Hoffnung machen dürfte: Seine Bilanz in Grand-Slam-Finals (3:0) ist makellos. Einzig in Wimbledon konnte er noch nie gewinnen.

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